PlattenkritikenPressfrisch

ZONE SIX – Zone Six

1997 / 2017 (Sulatron Records)


Also, dies hier ist nur zum Teil eine Wiederveröffentlichung des 1997er Debüts der deutschen Spacejamrocker um den umtriebigen Dave Schmidt aka Sula Bassana. Auf dem Original, sofern es jemand noch kennt, wird man Gesang finden, der ist hier nicht vorhanden. Hier gibt es die originalen Aufnahmen, den originalen Mix, der damals nur in einer Miniauflage als Tape in Umlauf gebracht wurde, diesmal aber rein instrumental dargeboten wird. Wieviel Kopien davon einst offiziell in den Handel kamen, vermag wohl selbst die Band nicht mehr zu sagen.

Nun, lassen wir uns also auf die schöne Langspielplatte ein und entdecken eine kultig krautige Melange aus Psychedelic Rock, Dub, Folkrock, Space Rock, welche uns auf eine musikalische Reise nimmt, die irgendwo auf Jamaica in einem dunklen Hinterhofpub der Hauptstadt Kingston beginnt, wo sich zwielichtige Gestalten tummeln und durch blühende Landschaften der US amerikanischen Countryside in muffige Westküstenbars mit bunter Lichtshow und zugedröhntem Hippiepublikum führt, von wo aus es nach Einwurf allerbester Substanzen direkt zu einem Ritt auf dem Halley’schen Kometen geht.

Der Opener mit verhalltem Psychedelic-Sound auf Reggae- / Dub-Strukturen ist schon eine echte Erfrischung. Eher konservativ mit locker dahinfließendem Acid Folkrock macht man weiter. Die Leadgitarre spinnt hier ein Geflecht aus mystischen, orientalisch wirkenden Melodielinien zurecht. Immer wieder kommen fremdartige, störende elektronische Klänge dazu, welche die erschaffene Stimmung zerreißen. Die Leadgitarre kann auch bissiger, brodelnder werden, wenn die Band es zulässt.

Sprachfetzen gehören bei den Effekten genauso zum guten Ton, wie Synthesizerklänge, die zwischen dem alten Modemgeräusch und Maschinenhalle die ganze Bandbreite der Soundhölle abdecken. Dann geht es mit ZONE SIX auch einmal durch – und verrückte, flippige, schon ganz progrockige Einlagen verwirren den Hörer, bevor es wieder etwas harmonischer und psychedelischer wird. Bass und Drums bleiben allerdings so ungerade und flippig, aber es groovt.

Dann sind da auch diese reinen elektronischen Space-Passagen, die schrill und spitz Deine Seele perforieren. Hier haben die verrückten Elektropioniere der 60er und frühen 70er wie Pierre Henry ihre Spuren hinterlassen. Freiformatig blubbern und zirpen die Synthesizer dahin, dann setzt die ganze Band ein und lässt es in einem krachenden, wogenden Inferno münden, was auch immer sie da vorhaben. Rückkopplungen, Drones, weiterhin ein freiformatiges Vergnügen von epischen Dimensionen.

Freejazzimpros der 60er Helden wie John Coltrane scheinen hier Pate gestanden zu haben. Frei, schiere Freiheit, Krach mit Verstand. Ich kann es nicht besser beschreiben, mir fehlen die Worte. Freakiger Folkrock in einer belebten Schnellrestaurantküche, gespielt mit anschließendem Applaus ist ebenso wenig fehl am Platze wie ernsthafte, düstere Improvisationen kosmischer Musik oder Musique Concrète. Eine sehr bunte Platte fürwahr.

Ich bin natürlich ein Freund des bedröhnten Jamrocks mit psychedelischem Einschlag, den die Jungs da zuweilen auf sehr betörende Weise zelebrieren. Ich mag aber insgesamt die Vielfältigkeit des Albums, auch wenn es dadurch etwas zerrissen wirkt. Die spröde Schönheit eben dieser zerfetzten Strukturen lässt die Musik leben und inspiriert den Hörer zum Nachdenken, statt allein im Klangstrom seine Seele zu baden.

Tolle Platte, die hier zum 20. Bandjubiläum aufgetischt wird. Ich muss mir das Album in der Version mit Gesang auch noch einmal anhören, mal sehen, welche Fassung mich mehr anspricht. Es funktioniert aber perfekt als reine Instrumentalmusik.

(8,5 Punkte)

www.sulatron.com