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TRIPHAMMER – Years In The Making 1992 – 1995

2017 (Divebomb Records) – Stil: Heavy Metal


Ich erinnere mich noch, wie ich Ende der 90er von meinem ehemaligen Kollegen und Mentor im Hellion-Laden sowie wirklich guten Freund Tom das erste TRIPHAMMER-Demo gekauft habe. Die 10,- DM waren gut angelegt, die vier melodischen, leicht progressiven US Metal-Songs mit den fantastischen Gesangslinien wie dafür gemacht, den sogenannten „Test of time“ zu bestehen. Ich kann von Glück sagen, dass dies meine erste und bis jetzt einzige Begegnung mit den Boston Metallern TRIPHAMMER war.

2017 gibt es über Divebomb Records nun eine Archiv-CD, schön aufgemacht, mit informativem Booklet und den Stücken aller Demos von 1992 bis 1995, sowie einem Livesong von 2003. Viel Musik fürs Geld und dem geneigten US Metaller ein Fest, allein ob des 92er Demos. Oder?

Ja, denn ´It’s About Time´ ist nach wie vor eines der besten Demos, die ich je habe hören dürfen. Das ist US Metal, wie ich ihn mir wünsche. Die Gesangsmelodien sind einprägsam, mitreißend, voller Leidenschaft und doch an gewissen Stellen fragil und immer auf der Schwelle zwischen dieser Welt und einer magischen Dimension. Das Ohrwurmlevel ist extrem hoch, bei aller Vertracktheit der Kompositionen, die eben nicht schnurgerades 4/4-Tempo und dauerhaft wechselnde Strophen und Refrains im Popformat brachten.

Es brauchte zwei Jahre bis zum nächsten Demo und ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich behaupte, dass in zwei Jahren eine Menge passieren kann. Grungerock, Groovemetal, all das war seit 1992 komplett explodiert und die Mixtur aus Rap, Funk und Heavyrock wurde auch immer beliebter. Noch war auf dem 94er Demo der Bostoner davon nur dezent was zu spüren. Die Riffs waren thrashiger, gleichzeitig aber hat man das Tempo vielfach verlangsamt, den Höhepunkt der Songs regelrecht verzögert. Die Melodien waren erdiger, mehr Hardrock, mehr Bluesrock, mehr Sleazerock, aber eine gewisse Verspieltheit durchzog das gesamte Tape, der mystischen Entrücktheit von ´It’s About Time´ stand eine bodenständige Coolness und Lässigkeit gegenüber, bei der wuchtigere, vereinfachte Gitarrenläufe eine hypnotische Wirkung erzielten, die immer wieder von packenden, technisch anspruchsvoller inszenierten Parts und fantastischen Soli unterbrochen wurde.

Der auf der CD als erster Song des zweiten Tapes den geneigten Hörer irritierende Song ´Flies´ ist da ein Paradebeispiel. Groovepassagen im schleppenden Tempo, welche den Sludgesound späterer Bands vorwegnahmen, abgefahrene schnelle Läufe mit wilden Rhythmen und atemberaubenden Leads, coolerer, dreckigerer Gesang, etwas schräger und weniger melodisch gehalten, das musste man erst auf sich wirken lassen, bevor man sagen konnte, dass dieses Demo eventuell ja doch sehr geil war. Das episch mystische ´Early Grave´ ist auf diesem Tape definitiv das Highlight. Verspielt, entspannt fließend, sehr atmosphärisch und von den vier Stücken hier die größten Melodien offenbarend verzaubert es Dich sofort, wenn Du denn progressiv und offen genug bist, von dem 80er Gefühl zu lassen und tolle neue Musik zu hören. Ja, auch dieser Song war auf 70er-Ideen und 80er-Wucht fußender 90er-Klang, aber das sehr inspiriert. Wir hören weiter, zwei andere Songs sind ebenfalls zu erleben und bei aller Orientierung in Richtung Groove haben die Stücke einen gewissen technischen Anspruch und einen hohen Coolnessfaktor. Es gibt eine Band, die ähnliche Musik gemacht hat, das war NON FICTION, ein Ableger der US Thrasher HADES, die dann nach ihrem Comeback auf der gleichen Schiene fuhren, aber mehr Power und Thrash Metal mit sich führten. Groovemetal mit doomigen und sleazigen Elementen halt. Ob das dann eben geil ist, muss man für sich selbst entscheiden. Spielerisch ist das astrein gemacht, der Gesang ist so weit gut und wenn man damals bereit war für die 90er, konnte man damit warm werden. Ich habe für meinen Teil nicht so die Schwierigkeiten damit, auch wenn es halt ebenso erwartungsgemäß, aber auch befremdlich ist, was TRIPHAMMER verzapften.

Lassen wir das Demo ´94 hinter uns und kommen dann irgendwann zum ´95er Demo, den ´Lost Boston Sessions´, bei denen der WARGASM-Schlagzeuger Barry Spillberg hinter den Kesseln groovte, der Sänger Bob Mayo beim Opener Gastvocals beisteuerte und Gitarrist Rich Spillberg in der Produktion mitwirkte. Hätte ich dieses Demo damals zuerst gehört, was zum Glück ja gar nicht möglich war, so hätte ich die Band TRIPHAMMER als komplette Trendkacke abgetan, denn irgendwie waren sie stilistisch auf einmal ein gut eingespielter Groovethrashbolzen mit räudigen Gröhlvocals, bei denen es einen vom moderneren Hardcore abgekupferten Rap-Einschlag gab. Die unmelodischen Gitarren waren ein einziges Geschrote. Hier und da blitzten aber progressive, verspielte Thrash und Power Metal-Parts durch, die mich jetzt, 22 Jahre später, durchaus irgendwie anschocken. Das staubtrockene Gefühl dieser Songs ist natürlich eine Sache der Gewöhnung.

Ich sehe mit diesem zeitlichen Abstand und erweitertem Verständnis und Gefühl für Musik viele Dinge anders. Aber ich kann auch mein junges Ich verstehen, wie es solche Musik zum Teufel gewünscht hat. Sludgemetal, Groovethrash, ein wenig Hardcorepunk, dreckiger Straßenrock, kaum echte Melodie, aber dafür eine spielerische Überklasse machen das Demo zu einer Erfahrung, die man machen kann oder nicht. Ich weiß noch, wie die 80er Metaller über JAG PANZER und ihr ´Dissident Alliance´ geschimpft haben, weil es eben der Versuch war, die moshenden, rhythmischen 90er Thrash-Elemente mit dem alten, eleganten Power Metal zu verbinden. ´Dissident Alliance´ war im Vergleich mit dem TRIPHAMMER Demo ´95 so, als stellte man SAXON und SLAYER mit ihren 1983er Alben gegenüber. Einfach nur urtraditionell und beinahe nostalgisch anmutend, selbst mit einer gewissen Offenheit gegenüber aktuelleren Klängen.

Ich höre aber nun genau diese Songs des TRIPHAMMER Demos zum wiederholten Male, weil ich einfach auch die CD für teures Geld gekauft habe und nicht bereits nach vier Stücken oder acht Stücken das gute Ding ausmachen möchte. Also, wie schaut es aus? Ich werde versuchen, mich mit diesen Songs zu arrangieren und meine Freude daran zu haben, weil sie immerhin sehr intensiv sind, einen schön natürlichen Sound haben und man zu jeder Sekunde hört, was für Hexer die Musiker an ihren Instrumenten sind. Und weil die 90er halt inzwischen auch Vergangenheit sind und tatsächlich derartige Musik ein Dinosauriersound, ein Relikt jener Epoche darstellt. Die 80er leben, die 90er sind bis auf wenige Dinge einfach vergessen.

Am Ende haben sie dann einen Live-Song von 2003. Das Stück des ersten Demos hat einen guten Klang, die Performance ist hervorragend, leider ist der Sänger nicht auf der Höhe. Hat er nur einen schlechten Tag? Kann er das eventuell nicht mehr singen, weil er seine Stimme in Grund und Boden gebrüllt hat? Oder will er es gar nicht mehr weiterverfolgen? Fragen über Fragen.

Braucht also jemand diese CD? Unbedingt, weil allein die ersten vier Stücke zeitlose Klassiker des US Metal sind, die man als Fan gehört haben sollte. Das zweite Demo ist immerhin wagemutig und eine Brücke zwischen den Jahrzehnten, das dritte Demo dann ein für die Zeit hochmoderner Aggrobratzen, der die vielgehassten Elemente des Trendmetals der 90er aufweist und doch irgendwie durch sein angestaubtes Epochenfeeling und die Leidenschaft und spielerische Klasse der Musiker zumindest dort Punkte sammeln kann.

TRIPHAMMER sind nicht wirklich in Würde gealtert und vergessen. Aber ihre ersten vier aufgenommenen Songs leben und überstrahlen alles. Echt-Metaller machen nach dem ersten Demo die CD aus, Wagemutige hören bis zum Ende.

Demo ´92: 10 Punkte
Demo ´94: 8,5 Punkte
Demo ´95: 5 Punkte

Gesamt: 7,5 Punkte