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THRESHOLD – For The Journey

~ 2014 (Nuclear Blast) – Stil: Progressive Metal ~


Der ‚March Of Progress‘ war ein Triumphzug. Nicht wenige THRESHOLD-Fans sahen im neunten Studioalbum von 2012 das bislang stärkste Werk der 1988 in den Londoner Suburbs gegründeten Wohlfühlprogger. Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem „Marsch“ legen THRESHOLD nun die „Reise“ nach. ‚For The Journey‘ nennt sich das neue, abermals herausragend gute Album. Ein Titel, den Keyboarder und Co-Songwriter Richard West wie folgt erklärt: „Wir sind älter und reifer geworden – und damit weniger anfällig für das pauschale Schimpfen über Ungerechtigkeiten. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, stellen wir uns die Fragen selbst. Dabei sind Songs über Ehrlichkeit, Ausdauer und Vergebung entstanden. Es sind Lieder für die Reise des Lebens – daher der Albumtitel.“

Musikalisch sind THRESHOLD dem Stil des Vorgängers treu geblieben. Der Eröffnungs-Hit ‚Watchtower On The Moon‘ klingt wie die logische Fortsetzung von ‚Ashes‘. Grundriff und Drumpattern wollen einem schon nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sänger Damian Wilson, der auf ‚March Of Progress‘ sein Comeback gefeiert hatte, sorgt mit seiner eindringlichen und trotzdem warmen Stimme adhoc für dieses ganz besondere THRESHOLD-Feeling zwischen Faszination und Geborgenheit. ‚Unforgiven‘ brilliert im Anschluss mit kraftvoller Ruhe, traumhaften Bridges und einem sphärischen Refrain, bei ‚Autumn Red‘ und der getragenen Schlussnummer ‚Siren Sky‘ lassen Bandkopf/Leadgitarrist Karl Groom und seine Mitstreiter die neue YES noch billiger aussehen, als sie eh schon ist. Großes, niemals selbstgefälliges Gefühlskino, wie es auch MARILLION nicht besser hinbekommen. Die absoluten Highlights auf ‚For The Journey‘ sind damit allerdings noch gar nicht genannt. ‚The Box‘ ist ein Zwölf-Minuten-Epos, das sich keinen Millimeter hinter Meisterwerken wie ‚The Rubicon‘, ‚Sanity’s End‘ oder ‚The Ravages Of Time‘ verstecken muss. Phänomenal, wie THRESHOLD hier Spannung aufbauen, mit göttlichen Hooks für Gänsehaut sorgen und in der zweiten Hälfte mit gelassenen Instrumental-Querverweisen gen DREAM THEATER demonstrieren, dass wahre Klasse nichts mit Akrobatik zu tun haben muss. Großartig! Noch großartiger ist nur noch ‚The Mystery Show‘. Fünf Minuten und siebenunddreißig Sekunden auf Stratosphären-Niveau – mit Referenzen an beste DEEP PURPLE, KANSAS und QUEEN, gipfelnd in einem (Vor-)Refrain, der mir die Äuglein bei jedem Hören mit Freudentränen flutet. So schön kann Musik sein.

THRESHOLD – eine Band fürs Leben.

(9 Punkte) Ludwig Krammer

 

‚March Of Progress‘ war für THRESHOLD vor zwei Jahren tatsächlich ein Triumphzug. Besonders die Freude über die Rückkehr von Damian Wilson wog schwer, da allein sein Gesang jeden Song auf ein höheres Level heben kann. Doch auch schon damals war leichte Kritik angebracht, die sich diesmal sogar noch verfestigt hat. Stutzig machen den Hörer zudem im Vorfeld geäußerte Bekundungen aus dem Bandlager, dass Wilson in äußerst kurzer Zeit seinen Gesang aufgenommen hat. Auch einem Über-Sänger sollte etwas mehr an Zeit eingeräumt werden, um seine ganzen Emotionen in allen Songs vollends entfalten zu können.

Denn die Band spielt, für jeden sofort hörbar, haargenau wie zuvor – im selben Muster und ohne Veränderung – auf. Alle Lieder bewegen sich zwischen fünf und sechs Minuten, wobei allein ein früher Longtrack (´The Box´) dieses Muster durchbricht. Alles wie gehabt – und auch der Sound – alles schon gehört. Diesem Problem blicken selbstredend viele Bands entgegen, selbst im progressiven Genre. Diesem Problem kann daher letztlich nur mit exquisitem und herausragendem Songmaterial begegnet werden kann.

Allein dieses Mal wollen allerdings die Empfindungen nur kurz über der Erdatmosphäre zünden und explodieren – ein großer himmlischer Sinnesrausch, einschließlich überirdischer Detonationen, ist nicht zu spüren. Dies beginnt schon beim schönen, vorab veröffentlichten Song `Watchtower On The Moon´. Wunderbares und präzises Songwriting, aber eben nicht himmelhochjauchzend. `Unforgiven` kommt den erhofften Gefühlsausbrüchen mit einem klasse Refrain schon etwas entgegen. Das Triple aus `Turned To Dust`, `Lost In Your Memory` sowie `Autumn Red` ist zwar songwriterisch auch nicht neu, bietet aber drei klare Treffer hintereinander – inklusive wunderschöner Melodien. Der erwähnte Longtrack hat seine besten Momente zu Beginn und am Ende, wenn Wilson vollkommen gefühlvoll die langen Intro- und Outro-Klänge des Liedes besingt. Hier schwappen alle Emotionen über. `The Mystery Show` hat dann vielleicht die direkteste Melodieführung, klingt aber etwas allzu melodieselig, um gleichzeitig an der Grenze zum Schunkeln vorbei zu schrammen. Den imaginären Wanderpokal der besten britischen Prog-(Metal-)Band dürfen THRESHOLD nunmehr im direkten Vergleich der letzten Alben an HAKEN übergeben. Der Abschluss – vor dem Bonus-Song `I Wish I Could` – mit `Siren Sky´ unternimmt noch einmal erfolgreich den Versuch, den anspruchsvollen Hörer in allerhöchstes Wohlbehagen zu begleiten.

THRESHOLD – you play your game – you know the way – i need you beside me – forever.

(8 Punkte) Michael Haifl