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RENEGADE – Thunder Knows No Mercy

~ 2014 (Pure Steel Records) – Stil: US-Powermetal ~


Albumtitel und Cover lassen nichts Gutes ahnen, zum Glück haben RENEGADE auf ihrem vierten Langdreher – dem ersten beim „Pure Steel“-Unterlabel „Pure Underground Records“ – musikalisch (fast) alles richtig gemacht. Die 2005 in Florenz gegründete Band schafft mit Bravour den Brückenschlag über den Großen Teich, verknüpft die bewährte PRIEST/ACCEPT-Riffschule mit feinster amerikanischer Melodiedrechselkunst, die Erinnerungen an Großmeister wie CRIMSON GLORY, LIZZY BORDEN, späte RIOT oder QUEENSRYCHE aufkommen lässt. Ohne Schmarrn: Vor dem letztjähigen Todd-La-Torre-Album der Seattle-Kings braucht sich dieses 45-minütige Werk der Toskaner nicht zu verstecken.

Schon das treibend eröffnende ‚Nobody Lives Forever‘ wartet mit einem Refrain der Marke „Majestätisch“ auf; beim anschließenden ‚The World Is Dying‘ beschleunigen RENEGADE in knackiger VICIOUS-RUMORS-Manier auf Tempo Flensburg, ehe sich das ruhig beginnende ‚Into The Flame‘ in einem Hirnfräser oberster Güte steigert: ultra-eingängig, niemals banal und mit einem dieser Refrains ausgestattet, der Faust und Blick umgehend Richtung Himmelszelt bzw. Zimmerdecke zieht – das ist Metal, wie wir ihn auf diesen Gelben Seiten schätzen und preisen. Parallele: das Italo-Referenzwerk mit Morby, `Shades Of Time´ (TIME MACHINE), oder KHALI, der Quasi-Nachfolger ohne Morby.

Dass RENEGADE auch die Disziplin Longtrack beherrschen, beweist das neunminütige ‚Trail Of Tears‘. Unpeinliche Spannungsbögen lösen sich in geschmackvollen Twin-Soli, dazu kommt die vorzügliche Stimme von Stefano Sensi, der zwar ähnlich phrasiert wie Geoff Tate oder Tom Mallicoat, aber keinesfalls ein wohlfeiler Nachahmer dieser Titanen ist. Den einzigen Schwachpunkt des Albums haben sich RENEGADE ausgerechnet mit dem abschließenden Titeltrack geleistet. Stakkato-Riffing, oft gehörte Effekte und Akkordfolgen, die weder Spannung erzeugen noch von einem überdurchschnittlichen Refrain aus dem Quark gezogen werden – das hätt’s nicht gebraucht.

Schwamm drüber. ‚Thunder Knows No Mercy‘ gehört zu den angenehmsten Überraschungen des (US)-Metal-Jahres 2014. Antesten ist für qualitätsbewusste Stahljünger unumgänglich.

Complimenti, Ragazzi!

(gediegene 8 Punkte)