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PERFECT BEINGS – Vier

2018 (Inside Out) – Stil: Progressive Rock


Breitet die Arme weit aus und nehmt dieses Schmuckstückchen entgegen. Umspielt lüstern die Ränder dieses Doppel-Vinyls und spürt die Konturen, natürlich die eines Gatefold-Covers, mit einem Textblatteinleger und extra Silberling. Den Silberling gibt es als Dreingabe für den ungestörten Musikgenuss, mit Kopfhörern unterwegs im Auto, Fernbus oder auf der neuen, aber gewohnt verspätungsanfälligen Schnellstrecke der Eisenbahn, unter freiem, wolkenlosem Himmel oder im architektonisch-modernen Gebäude, am liebsten in den eigenen vier Wänden, ohne aufzustehen und die Scheiben auf dem Plattenteller zu wenden. Grundsätzlich sollen jedoch die beiden schwarzen Vinylscheiben aus ihren Hüllen gleiten, für den puren, klassischen Musikgenuss, ob mit Kopfhörer oder im Raumklang für alle Mitbewohner. Schöner wird es nicht mehr. Vier Suiten auf vier Plattenseiten, klassischer Progressive Rock für den Gourmet. Insgesamt findet der Liebhaber im Detail 18 Songabschnitte wieder, die keinesfalls wahllos zusammengewürfelt vier Suiten ergeben. Die Kompositionen gehen spielerisch ineinander über oder halten inne, um anderen Ideen den Vortritt zu lassen, ohne in irgendeinem Moment die Spannung nicht halten zu können. Die verarbeiteten, wohlbekannten Einflüsse entfalten über vier Etappen in neuer Gewichtung eine bislang nie gekannte Perfektion. Entsprechend finden sich die vier Kompositionen im Albumtitel ´Vier´ wieder, obwohl es erst das dritte Werk der Herren von PERFECT BEINGS ist.

Die auf Triostärke geschrumpfte Besetzung um Sänger Ryan Hurtgen, Keyboarder Jesse Nason sowie Gitarrist/Bassist Johannes Luley, in Hamburg geboren, im Frankfurter Raum aufgewachsen und 1993 in die Vereinigten Staaten ausgewandert, setzt dabei eine ganze Armada an Gitarren, Keyboards und Synthesizern ein, um den perfekten Soundgenuss zu erzielen und kann als Gäste nicht nur für die Percussions Ben Levin sowie für die Trommeln CYNIC-Legende Sean Reinert aufbieten.

Im Repertoire projiziert ´Guedra´ das erste Bildfragment aus den SIXTIES und SEVENTIES an die Wand, bestehend aus Artrock mit Jazz- und Fusion-Elementen, mit Klavier und gern gesehenen Blasinstrumenten. Beginnt die eine Linie in der Ecke von YES und GENTLE GIANT, schweben die mittleren Partituren neben KING CRIMSON daher, würzen die Schönheit, ohne aufdringlich in den Pop abzugleiten, eher á la TALKING HEADS und Brian Eno, mit Harmoniegesängen, gerne BEATLEesk. Der bereits hier an einem Punkt der Verbindungslinien entsprungene RUSH-Moment wirft weitere Schatten aus den SEVENTIES auf die zweite Wohltat ´The Golden Arc´. Klavierfingerübungen gehen in sinfonische Bewegungen über. Derweil die Gedanken bei RUFUS WAINWRIGHT verweilen, werden sie sogleich von jazzigen und quietschenden Gitarrenklängen abgelöst, die den Ausklang auf der Außenlinie aus KING CRIMSON, RUSH und QUEEN vorbereiten. Dunkle Synthesizer-Wolken führen die SEVENTIES endgültig in die EIGHTIES, bestimmen den Übergang in der dritten Schleife ´Vibrational´ von der klassischen Schule aus TANGERINE DREAM und KLAUS SCHULZE, die dem AYREON-Freund nicht fremd ist, preisen gar den „Tangerine Dancer“, und bleiben flüchtig neben PREFAB SPROUT stehen. Hektische Tasten und mehrstimmiger Gesang bilden das wabernde Schlusswort der Suite. Im letzten Bild ´Anunnaki´ drängen die Synthesizer der EIGHTIES in die NINETIES, zwischen orchestralem Beat und verzerrtem Gesang. Doch an der Bar werden nochmals die Eiswürfel neu gemischt, da die Entscheidung über die weitere Ausrichtung längst nicht gefallen ist. Ein verführerisches Tänzchen führt hinein in die wundervolle Nacht. Asiatisch angehaucht fügt sich ein weiterer Melodie-Reigen an, gibt PINK FLOYD-Charisma preis, und setzt hernach akustisch das Finale im Vögel zwitschernden Morgengrauen. Ohh, la, la.

(9 Punkte)


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