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Långfinger – Crossyears

2016 (Small Stone Records/Cargo Records) – Stil: Hard Rock


Långfinger gingen bis vor ein paar Wochen komplett an mir vorbei. Dabei hat das Trio aus Göteborg seit letztem Herbst mit seinem veröffentlichten dritten Album `Crossyears` ein schmuckes Teil am Start.

Als ich das Trio in einem Miniclub vor zwölf Leuten sah, hat mich das voll umgeblasen. Power, Energie, Klasse – alles wunderbar vereint. Resultierend daraus wurde bei der Show das komplette Vinylpaket gekauft. Und `Crossyears` kann locker alle Vergleiche mit den gehypten Alben von HORISONT und Co. standhalten.

Der Sound der Schweden ist grooviger, erdiger, teils auch mehr psychedelisch und lässt sogar neuere Einflüsse zu. Grundsätzlich ist aber immer diese immense Power allgegenwärtig. Selbst langsamen Stücken merkt man den Druck an, der sich aufstaut. Wirken die Songs beim ersten Durchgang vielleicht zu banal, sollte diesen ruhig zwei bis drei Durchgänge mehr gegönnt werden, denn erst dann – und NUR DANN – kommt die Großartigkeit dieser Stücke voll durch. Detailverliebt zu komponieren ohne den Hörer zu überfordern, das ist die Kunst. Man kann über die ersten beiden Alben schön beobachten, wie sich die Band weiterentwickelt hat, und nun mit `Crossyears` da angekommen zu sein scheint, wo sie eigenständig und äußerst musikalisch agieren kann.

Sollte man Bands aus der Vergangenheit zum Vergleich heranziehen, dann müssten auf alle Fälle GRAND FUNK RAILROAD, HUMBLE PIE, ein bisschen THE WHO aber auch der eine oder andere MOUNTAIN-Einfluss erwähnt werden. Die hohe Musikalität der Tracks ist beeindruckend. Nicht nur Riffs, sondern schöne kompakte Soundgebilde aus Emotionen, Feeling und drückenden Grooves machen das Album zum Genuss. `Atlas` steigert sich von Minute zu Minute bis es triumphal endet. Das mächtige `Silver Blaze` hat einen unfassbaren Groove und rockt wie Sau, mit schön eingearbeiteten, exzellenten Soli! Långfinger gelingt der souveräne Spagat, ihren in den Siebzigern verwurzelten Sound nicht so angestaubt klingen zu lassen, dass sie im Gros der Retro Rock-Bands untergehen. Was wiederum an der jugendlichen, manchmal ungestümen, aber auch irgendwie sehr kontrollierten Spielweise liegt. Das gewaltige, manchmal an LED ZEPPELIN erinnernde `Caesar`s Blues` gehört zweifelsohne zu den Highlights des Albums. Hier zeigt sich auch die Vielseitigkeit von Victor Crusners Stimme. `Last Morning Light` erinnert über weite Strecken an WOLFMOTHER, was das gesamte Album noch aufwertet. Durch den warmen Sound entfalten selbst drückende Nummern ein wohltuendes Gefühl. Das macht einfach Freude.

Långfinger sind ein echter Rohdiamant in der ganzen Retro-Welle und empfehlen sich mit ihrem dritten Album auf ganzer Länge. Souveräne Band! Angesprochene sollten nicht zögern hier zuzuschlagen.

(8,5 Punkte)