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GIL EDWARDS – Celebrate

2017 (A1 Records) – Stil: Classic Rock


‚A1 Records‘ setzen auf erdige, urwüchsige, aber nicht zu harte Rockmusik, die ein breiteres Publikum anspricht. Gil Edwards, der nun langjährig aktive, in Deutschland bisher leider nicht wirklich in Erscheinung getretene Amerikaner mit Wohnsitz in Norwegen ist eines ihrer neuesten Signings.

Auf dem Cover von ´Celebrate´ steht ein Mann mit Melone, Nickelbrille, Jeansjacke und grauem Vollbart mit akustischer Gitarre vor einem Mikro und scheint sich die Seele aus dem Leib zu singen. Und genauso klingt der Opener ´Hey, hey, hey´ dann auch. Leidenschaftlich, dezent melancholisch, mit schön singenden Rockgitarren, souligen Backing-Sängerinnen, die auch im Hintergrund bleiben, angenehmen Melodien und ebenso angenehmem Gesang. Hierbei handelt es sich um eine Eigenkomposition von Gil Edwards. Das Album ist, so merkt man gleich, eine Liveaufnahme. Aber diese hat es in sich. Sie strotzt vor der gleichen Power, die ein Neil Young auf seinen frühen Alben bis Mitte der 70er mit sich brachte, hat die Intensität jener Zeit und Gil greift zuweilen gerne auf Kompositionen zurück, die ihm in jenen Tagen das Leben süßer gemacht haben. Coverversionen von ´You Keep Me Hangin‘ On´, ´Paint It Black´, ´Wild Horses´ und ´My Back Pages` sprechen für sich. ROLLING STONES, Bob Dylan, alter Motown Sound, im Grunde auch THE BYRDS und CROSBY STILLS NASH & YOUNG sind sein Ding und er zieht es so auch durch. Auch der zweite Song ´Lying´ ist eine weitere Eigenkomposition und dabei ein schöner, bodenständiger Rocker mit eindringlicher Orgeluntermalung und großen Gefühlen. Das Gitarrensolo klingt wie erwartet lustvoll jaulend. Die Aufnahmen der Songs stammen bis auf die beiden STONES-Cover und ´You Keep Me Hangin‘ On´ von der Deutschlandtournee im März 2016, die anderen von 2013. Labelchef Martin Engelien ist bei allen Songs als Bassist dabei, Perkussionist Pitti Hecht, Backing-Sängerin Angie Damschen und Organist Kai Weiner ebenfalls, ansonsten haben die 2016er Aufnahmen einen anderen Drummer als die von 2013, der männliche Backing-Sänger ist ebenfalls nur 2013 dabei gewesen und der Gitarrist bei ´Lying´ und ´Wishing Well´ ist ein anderer. Verwirrend? Wen kümmert es, Hauptsache Gil singt und das tut er grandios. Kein Wunder, dass er zuweilen ´Gloria´ von THEM live spielt, seine Stimme liegt irgendwo bei Mick Jagger und Van Morrison, etwas heller vielleicht, mit einem Touch Neil Young. Wem das alles nichts sagt, der soll sich besagte Sänger einfach anhören. Er singt hell, clean und melodisch mit einem weichen Ausdruck, aber genügend Straßenfeeling dabei, dass man ihm seinen langen Weg abnimmt. Alle Musiker sind bestens aufeinander eingespielt, eine Einheit, welche die Musik mehr zelebriert als nur spielt. Das wird beim extrem psychedelischen ´Paint It Black´-Anfang deutlich, der selbst im düsteren November den feuchtkalten Jazzkeller in Krefeld in eine brütende Wüstenlandschaft verwandelt. Der Song nimmt dann Fahrt auf, wird zu einem betörenden, psychedelischen Jam, dann kommen die bekannten Melodien. Man sieht förmlich die Klapperschlangen durch die zerklüfteten Felsen und über den roten Sand kriechen. Besser als die Originalversion? Zumindest anders und definitiv gleichwertig. Das schafft auch kaum jemand. Ich liebe seine Originale, aber das Covern hat der gute Gil auch einfach drauf.

Alles in allem ist das hier etwas für Freunde der Musik, die in der zweiten Hälfte der 60er bis ca. Mitte der 70er wirklich gut war, entspannter Malocher Rock mit folkiger Seele, der eine in unseren Zeiten kaum mehr gekannte Ehrlichkeit und Bodenständigkeit ausdrückt. Und die ganze CD ist so. Tja, ich würde sagen, da sich diese Ära durchaus großer Beliebtheit bei allen Altersklassen des Rock erfreut und Bands wie THE BYRDS, CSNY und THE GRATEFUL DEAD auch bei vielen Kids populär sind, sollte sich für Gil Edwards eine ordentliche Fanmenge finden lassen. Die können die Band auf ihrer Tour im April 2018 quer durch Deutschland erleben und sollten dies definitiv auch tun.

(9 Punkte)