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CALLIOPHIS – Cor Serpentis

2017 (Solitude Productions) – Stil: Doom Death Metal


Kennt Ihr das? Ich höre ein neues Album, und bekomme dadurch spontan Lust, eine Platte einer ganz anderen Band aufzulegen. Die muss dann nicht mal aus einem ähnlichen Genre stammen oder aus derselben Epoche, meist ist es sogar eine wesentlich ältere Scheibe. Es geht, wie ich vermute, eher um die Atmosphäre, die mit der Musik transportiert wird. Keine Ahnung, was dahinter steckt – vielleicht werden dieselben Nervenzellen im limbischen System angesprochen, es geht um den ähnlichen Rhythmus, den Groove, und damit etwas, was wir alle schon als Neugeborene wahrnehmen und worauf wir schon als Babys mit rhythmischen Bewegungen reagieren. Groove ist generell unglaublich wichtig, für mich das absolute K.O.-Kriterium für Musik, die mich packt, durchschüttelt und festhält.

So, und wie kriege ich jetzt bloß die Kurve zu CALLIOPHIS? Death Doom (oder meinetwegen Doom Death) sind ja nun wirklich keine Stilrichtungen, die die Massen auf die Tanzfläche ziehen. Aber darauf kommt es auch gar nicht an, ein Groove kann auch sehr, sehr langsam sein und gerade dadurch noch wesentlich wirkungsvoller. Und damit wären wir schon bei den Ex-Chemnitzer, nun Leipziger Schlangenbeschwörern. Entstanden 2007 aus der Asche einer Death Metal-Band namens DISOBEDIENCE brachten die Sachsen 2008 ihren ersten, heute vergriffenen Longplayer mit dem bezeichnenden Namen ‚Doomsday‘ heraus. Darauf folgten diverse Liveaktivitäten, aber erst nach langen neun Jahren der nun vorliegende Zweitling. Und diesen kann ich jedem, der auf atmosphärischen, melodischen, extrem low-tempo Death Doom steht, sommerwarm empfehlen.

Auch ohne die bisherigen Aktivitäten der Schmuckottern zu kennen, macht schon der Einsteiger ‚The Cleansing‘ deutlich, daß hier eine Kapelle musiziert, die weiss, was sie will, und vor allem, wie sie dies erreicht. Stimmungsvolle Synthieklänge bereiten den Boden, bis die Gitarren und der Gesang klarmachen, um was es hier geht: extreme epische Heavyness! Sänger Thomas hört man seine Herkunft aus dem Death Metal deutlich an, er growlt in gurgelnden, sludgig-abyssalen Tiefen, kann aber auch elendiglich schreien (z.B. das hoffnungslos-zerstörerische ‚Isolation‘). Die beiden Gitarren bauen Ihre komplexen Melodien über einem knackigen Bass-/Drumfundament auf, generell ist das Album sehr modern und vor allem kristallklar produziert, es ist eine Freude, jedes Instrument geradezu perfekt herausgearbeitet zu hören, Effekte werden nie übertrieben. Marcs Bassarbeit muss ich besonders lobend herausheben, der Bass ist für mich DAS Doominstrument par excellence, und hier groovt ein Könner, der weiss, wieviel im Bandgefüge von ihm abhängt. Der Gitarrensound erinnert an die 90er, und damit an die Hochzeiten des Genres – wobei ich mich schon länger frage, ob es nicht seit geraumer Zeit ein (Death/Funeral) Doom Revival, und zwar gerade in Europa und vor allem auch in Deutschland gibt? Aber das ist ein anderes Thema…

CALLIOPHIS‘ Hamburger Labelmates OPHIS (schon wieder Schlangen! Das doomige Haupt der Medusa erhebt sich wieder!), DOOMED und SOIJL (ok, Schweden…) gehen zumindest alle in eine ähnliche Richtung, man könnte als Einflüsse der Leipziger aber noch diverse weitere Bands nennen: allen voran die Heidelberger AHAB (Gesang! Gitarren! Melodien!), oder auf der anderen Seite die aufgelösten BLACK SHAPE OF NEXUS aus Mannheim (Geröchel – Groove – Grimm).

Das Herz der Schlange (lat. ‚Cor Serpentis‘) pumpt seinen Puls in sechs Songs, keiner davon unter 9 Minuten. Trotzdem fliegt die Platte an der Hörerin vorbei wie nichts – und hier kommen wir zum einzigen Kritikpunkt: Ich könnte (ok, ausser evtl. dem bereits genannten Opener) keine wirklichen Highlights nennen. Kein Song bleibt so richtig in den Gehörgängen hängen, nichtsdestotrotz ist das kompositorische Niveau durchgehend hoch. Schwierig. Eingängigkeit als mangelnde Abwechslung könnte man der Band somit vorwerfen – aber das ist in diesem Genre möglicherweise gar keine echte Kritik. Schade, dass ich die Jungs auf ihrer im April gelaufenen Tour verpasst habe, vielleicht hätte das Liveerlebnis meinen Höreindruck ja revidiert. Gleichwohl, da sollte bei Album Nr. 3 noch etwas mehr drin sein!

Der aufmerksame Leser wird sich nun fragen, wonach mir denn nun nach dem Genuss von ‚Cor Serpentis‘ der Sinn stand? Ganz einfach, nach der ‚Headstones‘ von LAKE OF TEARS. Und direkt danach der Klassiker – ‚ Epicus Doomicus Metallicus‘ von CANDLEMASS. Aber jetzt fragt mich bitte nicht, warum.

(7,5 Punkte)

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