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BRETT – WutKitsch

2018 (Chimperator/Rough Trade) – Stil: Heavy Rock


Einfach wunderbar, wenn sich alle ein BRETT vor den Kopf schlagen und verstört aus der Buxe gucken. Der Indie Rocker ist verwirrt, weil er Gitarren-Soli hören muss. Der Noise Rocker ist entsetzt, weil der Sänger nicht nur schreien, sondern auch singen kann. Der Heavy Rocker ist irritiert, da aus den Boxen deutschsprachige Musik tönt. Doch nachdem alle ihre Ohren mit sechs Gläsern Jack Daniels durchgepustet haben, ist der Weg für alle Wut und allen Kitsch frei, den die in Hamburg niedergelassene Gruppe BRETT auf ihrem Debüt-Album beachtlich präsentiert.

Keine Muskeln und kein Rap aus dem KRAFTKLUB, kein Punk und kein Assi aus dem TURBOSTAAT. Das BRETT geht seine eigenen Wege. Kein Punk, Rock und Pop wie MADSEN. BRETT ist international, spielt universelle Musik – mit deutscher Sprache. Verständlich für 180 bis 280 Millionen Menschen auf der Welt. Aber das hat die Menschheit auch nicht davon abgehalten, weltweit achtstellige Stückzahlen von den Alben der sechs Pyrotechniker aus Berlin zu kaufen. Und BRETT sind gekommen, um dem grobmotorigen Feingeist zu munden. BRETT stellen sich international auf die Bühnenbretter neben THE MARS VOLTA, QUEENS OF THE STONE AGE und AUDIOSLAVE. Die andauernde Erwähnung von LED ZEPPELIN bewegt sich nah an der Absturz-Katastrophe vom 6. Mai 1937, denn BRETT sind BRETT. Max (Gesang), Felix (Gitarrist), Laurenz (Bassist) und Stefan (Drums) sind BRETT.

Obendrein gibt es aktuell keine präzisere Realitätsbeschreibung als den Opener ´Ein schöner Tag (Schade, dass Krieg ist)´, in dem „ein Verrückter mit der Bombe spielt“ und sich die „Hipster im Café zwischen Latte und Mate-Tee“ entscheiden müssen. Ein Leben im falschen Film. Die aktuelle Veranschaulichung menschlicher Daseinsformen in ´Wüste´, anhand der Stories aus den Sozial Medias, oder die großartige Abrechnung mit der Ex-Gefährtin in ´Das mit dem Hund tut mir leid´ sind brillierende Exemplare BRETT´scher Kompositionskunst.

Sei also ein New Age Traveler und habe Fun. Wer sich dabei am deutschen Gesang stört, kann natürlich auch einen klimaschädlichen Flug in die Staaten zum nächsten Konzert von Justin Bieber buchen. Anstelle dessen kann Euer Rezensent 30.000 Kilometer mit dem kleinen Diesel dahinbrettern und bei Sonnenschein die Mitmenschen an BRETT teilhaben lassen. Fenster auf, BRETT für alle.

(8,5 Punkte)

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