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AYREON – Universe: Best Of Live (DVD)

~ 2018 (Mascot Label Group) – Stil: Cinematic Progressive Metal ~


Ich gelobe von nun an zu versuchen, Euch nicht ständig mit neuen Superlativen zu bombardieren und mich nicht mehr von meinem enthusiastischen Fan-Dasein in subjektive Sphären entgleiten zu lassen. Aber erst nach diesem epochalen Meilenstein in der Geschichte des gefilmten Livedokuments.

Es gibt ein neues Fruchtbonbon – brave AYREON-Jünger haben es schon. Und wenn Ihr Anderen nur halbwegs auf Jahrhundertlivemitschnitte steht, solltet Ihr weiterlesen.

Selten hat mich in meiner überaus gut bestückten Live-Video-Sammlung ein Auftritt dermaßen gepackt und mitgenommen. Und das nicht nur, weil ich letztes Jahr in Tilburg dabei war. Perfekt auf der Höhe der Zeit des kameratechnisch Möglichen gefilmt, hervorragend geschnitten zwischen Totale, Close-ups aus diversen Winkeln und Kamerafahrten bist du mittendrin statt nur dabei. Und die Projektionsshow ist dermaßen überirdisch, dass man es einfach sehen muss. Jeglicher Beschreibungsversuch trifft es nicht mal ansatzweise.

STAR ONE war schon essenziell, ´The Human Equation´ stand für eine Inszenierung, die ihresgleichen sucht. Doch was der Meister im September 2017 an drei aufeinanderfolgenden Tagen in Tilburg (NL) auf die Beine gestellt hat, war das musikalisch und optisch Eindrucksvollste, was ich in meinen knapp 30 Jahren Livegroßeventerfahrung erleben durfte [hier lesen].

Schon der Einstieg gestaltet sich so spannend wie ein Kinogroßereignis eurer liebsten Franchises. Robo-Mike (Mills) führt als Virtual Brain in die Historie ein und fortan als moderierender Erzähler durch den Abend. Als dann nach dem instrumentalen Prolog die ‚Dreamtime‘ mit Edward Reekers und dem dreisirenigen Backgroundchor beginnt, stellt sich bereits die erste Gänsehaut ein, die über weite Strecken des Konzerts Dauererscheinung bleibt.

Robert Soeterboek schließt in feinster Coverdale-Manier in der ‚Abbey Of Synn‘ auf. Im Duett werfen sich Hansi Kürsch und Marco Hietala in den ‚River Of Time‘ und werden im späteren Verlauf bei ‚Age Of Shadows‘ von Floor Jansen verstärkt, die sich vorher schon mit ‚Merlins Will‘ vorstellt und mittlerweile niemandem mehr beweisen muss, dass sie eine der größten Sängerinnen der Szene ist – nicht nur körperlich. Dunkelprogger und Sirenenverfallene erleben ‚Waking Dreams‘, als Jonas Renkse mit Anneke van Giersbergen antritt und werden durch gleiche Paarung nachher ‚Comatose‘ – wenn stimmlich Annekes Licht auf Jonas‘ Dunkelheit trifft.

Er selbst hat fast einen schweren Stand gegen den Engelchor und den hellsten Kometen des Abends: Maggy Luyten, die fleischgewordene Joan Jett des Metal (‚Ride The Comet‘), deren Organ sich im Wettstreit um den ‚Star Of Sirah‘ mit Hansi, Mike und Floor einen kaum zu übertreffenden Showdown liefert.Tausendsassa Mike, der variabelste Parts aus verschiedenen Alben übernimmt, hat seine Klasse zusammen mit der aus dem Background hervorgetretenen Marcela Bovio bereits gezeigt (´The Theory Of Everything´) und wird von allen Damen herrlich emanzipiert als ‚Loser‘ vokal gedisst.

Einmal die Version von ‚Valley Of The Queens‘ sehen – ohne Wasser in den Augen. Ich nehme es mir fest für 2019 vor. Doch was Floor, Anneke und Marcela hier dreistimmig liefern, kann nur den schwärzesten Black Metaller kalt lassen. Muss ich über Damian Wilson echt noch was sagen? ‚And The Druids Turned To Stone‘ erreicht live eine unglaubliche Dynamik und dürfte dem Progger ALLES eingenässt haben. Mit dem großartigen John Jaycee Cuijpers, der bereits den ‚Dawn Of A Million Souls‘ heraufbeschworen hat, wurde dafür gesorgt, dass niemand Sir Russell Allen zu sehr vermisst hat.

Irene Jansen durchschreitet ‚The Two Gates‘ und stellt auf herzigste Weise die fantastische Band vor. Die Backing-Damen um Lisette van den Berg als ‚Ayreons Angels‘, die Guitar-Wizards Marcel Coenen und Ferry Duijsens, Bass-Rastafari Johan van Stratum und Ed Warby an den Drums. Dazu kommt der stimmungsvolle Cello – Flöten – Violine – Dreier Maaike Peterse, Jeroen Goossens und Ben Mathot und nicht zuletzt der musikalische Co-Produzent Joost van den Bröck, der als würdiger Keyboard-Erbe von Wakeman und Co. angesehen werden darf.

Edward entführt uns mit seinem warmen Organ in die ‚Actual Fantasy‘ und PINK FLOYD lassen beim Einstieg in ‚Computer Eyes‘ grüßen, bevor er uns mit Robert auf die riffende Space Voyage mitnimmt. Irischen Spirit verbreiten Anneke, Marco und Tommy Karevik zusammen mit dem Akustik-Dreier, STAR ONE-Veteran Peter Vink spielt Bass in Pink (‚Intergalactic Space Crusaders‘) während das neue Live-Traumpaar Maggy und Damian einen Schlagabtausch der überragendsten Art zelebrieren.

‚Everybody Dies‘ besticht als abgefahrene, durch Texteinspielungen karaokefähige Musicalnummer mit combined Vocal Forces (wie nun bei jeder Nummer des Grande Finales), funktioniert live noch besser als auf Platte und bläst einfach nur um. Wenn dann Meister Lucassen selbst bei ‚Castle Hall‘ die Bühne entert, gibt es kein Halten mehr. Die erste Zugabe beginnt mit der sehr sympathischen und humorvollen Standup-Ansprache von Chef Arjen, mit der er den Weg von der ersten Idee bis zum finalen Event beschreibt und während der niemand ahnen würde, wie nervös der lampenfiebergepeinigte Sonnenschein wirklich war.

Nach der Würdigung des gesamten Künstler-, Bühnen- und Produktionsteams als auch im besonderen seiner Laurie und ‚LUL‘ (politisch unkorrekter Insidername für Joost) geht es weiter mit dem vielschichtigen ‚Amazing Flight In Space‘ und Oldschool-Hardrockröhre Jay Van Feggelen. Darauf folgt der Chor-Overkill von ‚Day Eleven: Love‘, der nur das Vorspiel bereitet zur zweiten Zugabe und zum absoluten Höhepunkt ‚Eye Of Ra‘ mit kompletter Besatzung und ergreifendem Abschlussrefrain für alle:

WE HAVE FOUND THE SEVENTH SIGN
DOWN IN THE CATACOMBS
WHEN THE SEVEN POINTS ALIGN
THEY WILL LEAD US ALL BACK HOME

Epilog: Die Stagediving-Einlage des letzten Abends von den Rampensäuen Damian und Maggy (!) gibt´s hoffentlich im Bonusmaterial…

Um es abschließend mit den Worten unseres italienischen Fans zusammenzufassen, der für alle drei Liveshows eintausend Euros ins Internet gefeuert hat: „It was worth any single Cent!“. Und Ihr Glücklichen bekommt das fast geschenkt nach Hause, gegen einen lächerlich kleinen Aufwandsobolus, für ein Gesamtensemble, welches in dieser Form nie wieder eine Bühne teilen wird – wahlweise als Triple-LP in black oder bunt, Doppel-Silberling, Doppel-DVD oder BluRay. Der Wissende Non-Vinylist greift natürlich zum Earbook und hat damit alle Silberkatzen inklusive Augenschmaus im Sack.

Das es sich hierbei um ein Musikereignis internationaler Grenzenlosigkeit handelt, greift ausnahmsweise mindestens die ‚Eurovision‘ bzw. ‚Grand Prix‘ Wertung:

Zwölf Punkte aus Deutschland, hinaus in die Welt und das Universum.

Amen

 

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