Livehaftig

MANILLA ROAD, DIE VOID, AGRIMM DOOMHAMMER

15.06.2013 Atzehoe, Itzehoe


Also wenn man von Schweden (Sweden Rock) nach Frankreich (Hellfest) reist und eine Woche Zeit hat, dann ist Itzehoe nicht unbedingt die Nummer eins an möglichen Aufenthaltsorten, aber trotzdem haben es die Veranstalter geschafft, die Epic Metal Legende MANILLA ROAD zu einem Clubgig in die ca. 30.000 Einwohner umfassende schleswig holsteinische Kleinstadt zu locken.

Irgendwie scheint der Sandberg in Itzehoe die einzige Straße von metallischer Bedeutung zu sein, denn jedes Mal wenn ich in Town bin, ist genau dies mein Ziel (bisher meist Hellion Records und die gegenüberliegende Lauschbar – wegen Pre- oder Aftershowparties vom Headbangers Open Air), im Hotel Nesselblatt durfte ich schon mal diverse Musiker abholen – ebenso aus der mittlerweile abgebrannten Piano Bar und auch der Buckhorn Shop war schon mal Shoppingdestination). Als neueste Attraktion gibt es am Sandberg den Veranstaltungsort Atzehoe, der von Piano Bar Besitzer Guntram “Atze” Horst ins Leben gerufen (und benannt) wurde.

Beim betreten der urigen Location musste ich doch ein bisschen schmunzeln, denn Teppichboden hatte ich in einem Rock Club in dem Konzerte stattfinden noch nie gesehen, aber sei es drum. Auch wenn das Atzehoe (das im Übrigen früher mal ein Rotlichetablissement beheimatet haben soll) eine “etwas andere” Lokalität ist, so ist die Bezeichnung “etwas anders” in diesem Fall gar nicht negativ gemeint. Auch die meisten Besucher waren eher positiv überrascht, über den kultig charmanten Club. Beschwerden haben ich eigentlich nur hinsichtlich der Höhe der Pissoirs gehört, aber auf zwergwüchsige Metalfans wurde beim Bau eben keine Rücksicht genommen. Alles in allem schien Personal und Veranstalter sich sehr auf die Metalmeute zu freuen, die da bei ihnen einfiel. So nett wird man nicht immer begrüßt. Im Laufe des Abends sollten sich auch ca. 180 Fans einfinden, die hauptsächlich MANILLA ROAD huldigen wollten.

Den Anfang machten aber die Rendsburger AGRIMM DOOMHAMMER, von denen ich im Vorfeld nur die beiden youtube Songs ‚Tunic Of Nessus‘ und eben ‚Agrimm Doomhammer‘ gehört hatte. Bei der Band scheint es sich um eine Art RITUAL STEEL bzw TITAN STEELE Resterampe zu handeln, denn sowohl Sänger Daniel Nass, als auch Gitarrist Timo Tippmann und Bassist Jesco Wolter stammen aus dem Nachlass dieser Formation(en). Musikalisch war das Dargebotene recht schlicht, aber irgendwie auch ganz nett – eine Mischung aus klassischem Metal und Doom, aber eben auf überschaubarem Niveau. Man gönnte es der Band mit ihren Heroen von MANILLA ROAD aufzutreten (Sänger Daniel trug ein entsprechendes Shirt), aber so wirklich vom Hocker gerissen haben einen die Songs nicht. Da die Band offensichtlich noch ganz am Anfang steht, bleibt ja durchaus Raum für Verbesserungen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mit dem Songmaterial nicht wirklich vertraut war. Etwas peinlich wurde es dann als Drummer Olli Dahm ein Spielpause nutzte, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen (sie hat angenommen – auch wenn ich mir denken könnte, dass ein Metalgig in einem ehemaligen Bordell nicht unbedingt ihrer Traumvorstellung eines romantischen Antrags entsprach). Die anwesenden Freunde der Band machten nach Gigende so einen Rabatz, dass sich AGRIMM DOOMHAMMER zu einer Zugabe genötigt sahen. Komischerweise kam mir der dann folgende Song sehr bekannt vor (kann es sein, dass ihr einfach ein Stück doppelt gespielt habt, ihr Schlingel?) und so kam es zur ersten zeitlichen Verschieben, die sich bis zum ultimativen Ende des Konzertes auf (ärgerliche) knapp 90 Minuten summiert haben sollte.

Als nächstes bestiegen DIE VOID die Bühnenbretter, die von ex-RITUAL STEEL (ja, schon wieder!) Sänger und Hellion Records Unikum Sascha “Sir Lord Doom” Maurer angeführt wurden. Da Sascha beim Booking von MANILLA ROAD wohl beteiligt war, durfte er auch mit seiner Kapelle auftreten. Passend zum exaltierten Frontmann war das Material von DIE VOID irgendwie “schräg” und “seltsam” – aber was will man erwarten wenn Songs wie ‚Alice Wan Kenobi‘ ‚Crab Tank Too‘ oder ‚Fis Or Stirb‘ auf der Setliste standen. Eine wilde Mixtur aus Progressive Metal, Krautrock und Doom wurde auf das Publikum losgelassen und sorgte für reihenweise staunende Gesichter. Wer Spaß an Einzigartigem und Verschrobenem hat, der lag bei DIE VOID komplett richtig. Mir war es ehrlich gesagt auf Dauer zu anstrengend und wenig nachvollziehbar, aber ich war ja auch mehr wegen MANILLA ROAD da.

Dass schon durch die beiden Vorbands eine doch spürbare Verzögerung im Ablaufplan eingetreten war, war natürlich für weiter angereiste (meine Heimfahrt dauerte knapp 2 Stunden) Konzertbesucher schon ärgerlich, aber man wollte ja MANILLA ROAD – den eigentlichen Grund der Anreise – nicht verpassen.

Schon bei den ersten Riffs von Mainman Mark „The Shark“ Shelton bracht das Publikum in kollektive Raserei aus. Und auch wenn Viele es bedauern, dass der gute Mann (krankheitsbedingt) nicht mehr so (viel) singen kann wie früher, muss ich gestehen, dass ich mittlerweile Bryan „Hellroadie“ Patrick total vermissen würde, denn er macht seine Sache als (Haupt-)Sänger von MANILLA ROAD wirklich richtig gut. Unterstützt von der Rhythmussektion Vince Goleman (b) und (unserem Streetclip.tv Kollegen) Neudi (d) lud Bryan die Fans auf eine (lange) Reise in die Welt von MANILLA ROAD ein. Die Band changierte gekonnt zwischen Tracks des neuen (sehr guten) Albums ‚Mysterium‘ und alten Klassikern wie ‚Open The Gates‘, ‚The Riddle Master‘, ‚The Ram‘, ‚Crystal Logic‘ (das von jedem Anwesenden mitgesungen wurde), ‚Masque Of The Red Death‘, ‚Death By The Hammer‘, ‚Hammer Of The Witches‘ oder ‚Witches Brew‘ hin und her. Es schien als ob MANILLA ROAD gar nicht mehr aufhören wollten. Sie schienen sich von der wirklich euphorischen Publikumsreaktion angesteckt zu haben und auch nach den absoluten Hightlights ‚Flaming Metal Systems‘ und ‚Necropolis‘ – bei welchem die Vorbands fast komplett mitmachen durften – war noch nicht Schluss. Erst nachdem auch ‚The Ninth Wave‘ und ‚Up From The Crypt‘ verklungen waren, entließen die Epiker aus Kansas (na ja und aus der Pfalz) ihre Fans. Mit insgesamt 24 Stücken hatte sowohl Band als auch Publikum alles aus diesem gelungenen Konzerterlebnis herausgeholt. In dieser Verfassung schaue ich mir die Band immer wieder gerne an und auch das sympathische Atzehoe ist als Livelocation durchaus zu empfehlen.

Setliste von MANILLA ROAD:

‚Only The Brave‘
‚Open The Gates‘
‚Weavers Of The Web‘
‚Astronomica‘
‚Divine Victim‘
‚Road Of Kings‘
‚The Riddle Master‘
‚Haunted Palace‘
‚Cage Of Mirrors‘
‚Queen Of The Black Coast‘
‚The Grey God Passes‘
‚Stand Your Ground‘
‚Mystification‘
‚Brethren Of The Hammer‘
‚The Ram‘
‚Crystal Logic‘
‚Masque Of The Red Death‘
‚Death By The Hammer‘
‚Hammer Of The Witches‘
‚Witches Brew‘
‚Flaming Metal Systems‘
‚Necropolis‘
‚The Ninth Wave‘
‚Up From The Crypt‘