Livehaftig

HAMMER OF DOOM FESTIVAL 2015

Ein Jubiläum voll erinnerungswürdiger Tristesse


Zum zehnten Mal öffnete das „Hammer of Doom“-Festival in der Barock- und Rokoko-Stadt Würzburg seine Pforten. Und wieder war das Programm in der Posthalle ganz vorzüglich zusammengestellt.

Von hoffnungsvollen Newcomern bis hin zu absoluten Szenelegenden war die ganze Genre-Palette am Start. Streetclip.tv war selbstverständlich unter den Augen- und Ohrenzeugen. 

Viel Vergnügen mit unserem Bericht!

 

Freitag, 20. November

Cross Vault

Der unterfränkische Dauerregen dürfte dem Freitags-Eröffner nicht zum Nachteil gereicht haben. Als CROSS VAULT aus Detmold pünktlich um 19 Uhr loslegten, war die Halle bereits passabel gefüllt. Und nicht wenige zog es im Laufe des Gigs vom Platten- und Merch-Markt vor die Bühne, um dem dezent an PALLBEARER und WARNING erinnernden Trio auf die Finger zu schauen. Das just erschienene Zweitalbum hat nicht zu viel versprochen: gesanglich, instrumental und auch songtechnisch war das schon sehr beachtlich, was CROSS VAULT da auf die Bühne hievten. Um den deutschen Melancholie-Nachwuchs muss man sich jedenfalls keine, ähem, Sorgen machen. (LK)

 

Path Of Samsara

Und um die Pflege der DEVIL’S BLOOD – Grabstätte ebenso wenig. Als „Black Magick Rock’n’Roll“ beschreibt das Trio aus dem Freisinger Land seinen Stil. Und das trifft’s auf den Punkt. Wer (wie der Autor dieser Zeilen) von der neuen YEAR OF THE GOAT etwas enttäuscht wurde, der sollte sich dringend mal mit dem PATH OF SAMSARA-Zweitling ´The Fiery Hand´ beschäftigen, um in diesem Spätherbst vielleicht doch noch glücklich zu werden.

Mit ordentlich Weihrauch – wie in der Posthalle exerziert – funktioniert der Roky-Erickson-lastige Mix natürlich noch besser. Ein intensives Konzert mit gar entzückenden Melodien. Nur über die Frisur des gerne anonym bleibenden Sängers muss man nicht unbedingt begeistert sein. (LK)

 

Sorcerer

Und damit zu einem der besten Gigs des Jahres! Denn nichts anderes war dieser Auftritt der reformierten Schweden SORCERER, die mit ´In The Shadow Of The Inverted Cross´ ein absolutes Meisterwerk zwischen ´Headless Cross´ und ´Tales Of Creation´ hingezaubert haben. Prachtsänger Anders Engberg (Ex-LION’S SHARE) kam als Nachtwächter gewandet auf die Bühne – und zeigte den Fans mit ´Born With Fear´ und ´The Dark Tower Of The Sorcerer´ gleich mal, wer im Epic-Doom derzeit die Qualitätsspitze darstellt.

Kostbarkeiten wie ´Lake Of The Lost Souls´ kommen live tatsächlich noch geiler als auf Platte – besser geht’s nicht! Kein Wunder, dass die frisch erschienene EP in Windeseile vergriffen war. Tiefstmögliche Verneigung vor der stärksten Band des gesamten Festivals! (LK)

 

Pentagram

Und das obwohl PENTAGRAM einen wirklich guten Tag erwischten. Mit Victor Griffin an seiner Seite ist Bobby Liebling einfach sicherer und weniger blödelig unterwegs als ohne den Gitarrenmeister, der seine Riffs mit einer Urkraft rausdonnerte, die jeden nicht völlig tauben Zeitgenossen in der Halle ins Mark getroffen haben dürfte.

´Death Row´ und ´All Your Sins´ bereiteten den Weg, auch die Songs des neuen, guten ´Curious Volume´-Albums sorgten für keinen merklichen Stimmungsabfall. In dieser Form wäre es eine Sünde, sollten PENTAGRAM demnächst ihr Bühnendasein beenden. Die Screams kommen noch früh genug… (LK)

 

Samstag

Lord Vigo

Dass der erste Auftritt tatsächlich einen Unterschied zum Proberaum zu Tage fördert, durfte die neue Metal-Hoffnung LORD VIGO aus Landstuhl als Opener des zweiten Tages erleben. Um auf der Bühne mit mehr Action agieren zu können, wurde das Trio aus dem Studio kurzerhand auf fünf Mann zwecks Bühnenauftritt erweitert. Sänger/Drummer Vinz Clortho konzentrierte sich nur auf den Gesang und gab dabei einen recht guten Frontmann ab. Tragischerweise musste er sich mit einem grippalen Infekt herumplagen, dennoch darf seine gesangliche Leistung, trotz einiger nicht gar so vortrefflichen Töne, als überaus vielversprechend angesehen werden. Seine Stimme hat das gewisse Etwas und ein wohltuendes Timbre.

Zudem trug er wohl mit seinem US Army Helm, der mit nach oben zeigenden Nieten vollgespickt war und gar schöner als jeder Hackigel aussah, die beste Kopfbedeckung des Festivals. Dazu erklangen solch packende Songs wie ´Babylon The Great´ und der erste Höhepunkt ´Ishtar – Queen Of The Night´ – da kann eigentlich nicht viel schief gehen. Im Laufe des Festivals dürften sie ebenfalls zwischenzeitlich die Trophäe als eine der flottesten Combos inne gehabt haben, entspricht ihre Musik weder von der Schnelligkeit dem epischen Doom noch von der gesamten Präsentation her der stupiden, durchschnittlichen Norm. LORD VIGO spielen einfach wie LORD VIGO.

Trotz einer kleinen Ansage, die – womöglich dem internationalen Publikum geschuldet – in Englisch vollzogen wurde, gaben die fünf Herren durchgehend Gas und erhöhten mit dem Rausschmeißer ´Terror Witchcraft´ sogar noch das Tempo um eine Stufe. Superb. (MH)

 

Doomshine

Auch für Doomer ist der Terminkalender im Rocktovember dieses Jahr gut bestückt. Gestern noch bei AVATARIUM & THE VINTAGE CARAVAN in Essen im Einsatz, ist die Begrüßungsrunde für den Rezensenten nach LORD VIGO noch gar nicht recht beendet, als DOOMSHINE schon die Bühne entern. Das diesjährige dritte Album der Epic-Schwaben wurde viel beachtet, kommt aber aus meiner Sicht wie schon der Vorgänger nicht an die Emotionen des Debüts heran. Macht aber nichts, denn getreu dem Motto, das erste Demo ist sowieso das beste, schaffen es die herausragenden Songs ´Where Nothing Hurts But Solitude´ und ´Shine On Sad Angel´ auf die Setlist. Die restlichen drei Songs sind zwar aktuell, allerdings erwischt man auch hier mit ´Third From Inferno´ und dem als ernsten Single Malt Song angekündigten ´Shelter From The Beast´ die Albumhighlights. Gibt nichts zu meckern, im Gegenteil, besonders der saubere Sound von Gitarrist Sven ist fein, auch wenn er outfittechnisch direkt aus der Amtsstube angereist scheint. Aber dort sitzen ja bekanntlich oftmals die kultigsten Rocker. In diesem Sinne, schenket einen Talisker ein und Raise a glass to a DOOMSHINE-Gig, dann braucht man auch nicht von Bobby Liebling träumen. (GPS)

 

Black Oath

Die Mailänder BLACK OATH gemahnen optisch eher an eine Black Metal-Band als an eine Doom-Formation mit Klargesang. Und einen so evil dreinschauenden Gesellen wie Gitarrist Bonni Rozz muss man zur Nachmittagsstunde auch erstmal verkraften. Trotzdem konnten sich die Lombarden nach ihrem 45-Minuten-Auftritt zufrieden vor den Abschmink-Spiegel setzen. Ihr Doom ist zwar weder originell noch sonderlich abwechslungsreich, aber Iommi-Riffing funktioniert wahrscheinlich auch in hundert Jahren noch, sofern es einigermaßen professionell dargeboten wird. Daumen schräg nach oben! (LK)

 

Caronte

Und gleich oben lassen! Denn der zweite Teil des Italo-Doppelpacks, CARONTE aus Parma, war mit seinem brachialen Stoner-Doom noch mindestens noch eine Liga höher unterwegs. Sänger Dorian Bones (u.a. WHISKEY RITUAL) ist mit seiner DANZIG-Röhre im Biker-Look eine Attraktion für sich, die Instrumental-Fraktion walzte alles nieder, was nicht bei drei an der Bar war.

MONSTER MAGNET und ELECTRIC WIZARD lassen sich für Noch-Nicht-Kenner als Referenz angeben. Doch CARONTE muss man ERLEBT haben, um die ganze Kraft dieser Musik nachvollziehen zu können. Nach SORCERER meine Nummer Zwei des Wochenendes. (LK)

 

The Order Of Israfel

Die Schweden mit australischem Frontmann setzen ihren 70’s lastigen Doom von Beginn an gekonnt und äußerst druckvoll in Szene und sind für einige Besucher schon so eine Art Tageshighlight. Das ist nicht überraschend, treffen sie doch mit ihrem Konsens-Stil den inneren Kern des Festivals. ´The Earth Will Deliver What Heaven Desires´ oder ´Wisdom´ sind auch coole Songs, da gibt es kein Vertun. Außerdem gibt es schon ein neues Stück, vom scheinbar Anfang 2016 erscheinenden zweiten Album. Well done, Erzengel. (GPS)

 

Skepticism

Die 1991 ins Leben (?) gerufenen Finnen gehören zu den Pionieren des Funeral Dooms. Vertonte Seelenpein ist ihr Metier, wer Frohsinn sucht, wird ihn hier garantiert nicht finden. Dass es trotzdem Menschen gibt, die man mit dieser Melange aus felsig-schroffen Rifflandschaften, Kirchenorgel und düsterem Growling glücklich machen kann, bewies dieser Abend in Würzburg. Zum Ende der Zeremonie warf Front-Totengräber Matti Tilaeus weiße Rosen ins Publikum. A scheene Leich, immerhin. (LK)

 

40 Watt Sun

Langsamkeit, äußerste Behäbigkeit war bei den Briten von 40 WATT SUN angesagt. Mit aktuell nur einem Album im Rücken, dem in der Szene hochangesehenen `The Inside Room`, war die Band für viele Anwesenden eines der Highlights. Musikalisch war das schon irgendwie gut, gerade was den Gesang von Patrick Walker angeht. Pure Emotionen! Allerdings tat die extreme Langsamkeit auch weh … mit jedem hinausziehen des angespielten Riffs wünschte man sich ein Vorwärtskommen – und wartete vergeblich.

Es sagt schon alles über das musikalische Verständnis der Band aus, wenn man den letzten Song rund 15 Minuten vor Set-Ende ansagt! Emotional und handwerklich gesehen ein toller Auftritt. Allerdings schaute ich mit fortschreitender Spielzeit immer öfter auf die Uhr, denn trotz der Klasse kam auch, zumindest bei mir, eine gewisse Langweile auf, die darauf zurückzuführen ist, dass sich auf der Bühne nicht wirklich viel tat. Eines der Handicaps von Bands wie 40 WATT SUN, die technisch hochklassig sind, aber auf der Bühne eher wenig bewegen. Jammern auf hohem Niveau, keine Frage…. aber ein bisschen mehr Livefeeling darf dann doch aufkommen. (JT)

 

Candlemass

Die Halle war, nach dem tollen Auftritt von 40 WATT SUN mit ihrem Dark-Singer/Songwriter oder auch Scandi-Südstaaten-Americana, beim vermeintlichen Headliner vieler Anwesenden proppenvoll. Die Menge war gespannt auf diese Bandkonstellation, die unter dem Banner CANDLEMASS auf der Bühne des HOD mit immerhin drei ´Nightfall´-Musikern erscheinen sollte. Mastermind Leif Edling traf jedoch wie bei all den aktuellen AVATARIUM-Auftritten krankheitsbedingt nicht ein, so dass die Band auf der Bühne – vor allem durch die erst vor kurzem bekannt gemachte Neubesetzung am Mikro – dem Ruf einer Coverband energisch mit ihrer Show entgegen wirken musste.

Und der großartige Mats Levén war nicht nur sichtlich bemüht, sondern gab wirklich alles. Spätestens als er passend zu ´Emperor Of The Void´ die schwarze Flagge mit dem ´King Of The Grey Islands´-Cover-Kopf schwenkte, schien der Bann gebrochen. Eine Mixtur aus Songs von ´Tales Of Creation´, ´Nightfall´ und ´Chapter VI´ zu Beginn schien nicht gar so verkehrt, um den mehr als großen Schatten von Messiah Marcolin vergessen zu lassen. Dies gelang jedoch nie. Mats Levén ist ein überragender Sänger. Mats Levén ist ein phänomenaler Hardrock-Sänger. Aber CANDLEMASS bleiben mit Messiah Marcolin am Mikro unvergessen. Niemand kann ´At The Gallows End´ besser intonieren, wie es das Gehirn auf immer und ewig abgespeichert hat. Das großartige ´Crystal Ball´ vom Debüt war dagegen ein Highlight dieses Konzertabends mit der schwedischen Legende, trotz der fehlenden Morbidität von Johan Längquist. Zum Abschluss nochmal ´Solitude´. Götterfunken. Alle können/dürfen/müssen mitsingen: „Earth to earth, ashes to ashes, dust to dust“. Jubel, Dankesapplaus, fünf Minuten kürzer als geplant. Abgang. Keine Zugabe. Fazit: Wer heute das erste Mal oder das hundertste Mal CANDLEMASS live gesehen hat, der kann leider nicht entsprechend der letzten Worte: „… please let me die in solitude“ zum Sterben nach Hause gehen, weil er CANDLEMASS gesehen hat. (MH)

 

My Dying Bride

Würden die altenglischen Trauerweiden ihrem Headliner-Status gerecht werden können? So ganz sicher war ich mir da vorher nicht. Doch MY DYING BRIDE bewiesen schnell, dass ihnen in Sachen Melancholie kombiniert mit Härte nach wie vor keiner was vormacht.

Mit einer fein austarierten Setlist aus Neunziger-Perlen und neuem Material wurde dieser Festival-Abschluss tatsächlich ein überaus würdiger.

Und auch optisch bot der Kontrast aus der berserkerhaft bangenen Bassistin Lena Abé und Front-Charismatiker Aaron Stainthorpe reizvolles Augenfutter, wenngleich die blutverzierten Hände des Sängers sicher nicht jedermanns Geschmack getroffen haben dürften. Gegen einen Schlusskeil wie das rasende ´God Is Alone´ gab’s zum Anbruch des Totensonntags freilich kein ernsthaftes Gegenargument.

Kawumm! Und Feierabend. Man sieht sich beim Metal Assault! (LK)

 

Für Euch in Würzburg dabei:

(LK) Ludwig Krammer
(JT) Jürgen Tschamler
(GPS) Markus Gps
(MH) Michael Haifl

 

Bilder: Krammer, Jensonaut Knutson, Haifl