Livehaftig

CARCASS, OBITUARY, NAPALM DEATH, VOIVOD, HEROD

16. November 2015, München Backstage Werk


Ein beachtlich-saftiges Oldschool-Paket haben die Veranstalter für die „Deathcrusher“-Tour zusammengestellt, die an diesem Novembermontag auch an der Friedenheimer Brücke im Münchner Westen Station machte. Für 30 Euro gab’s in der größten der drei Backstage-Hallen fünf Stunden lang Extremsound satt. Tagessieger, gemessen an den Publikumsreaktionen: NAPALM DEATH, deren Fronter Barney Greenway eine Show hinlegte, die schon beim bloßen Zusehen Atemnot verursachte. Leck mich, ist der Kerl fit!

Aber der Reihe nach: Pünktlich um 19 Uhr durften die Progressive-Sludger HEROD aus der Schweiz auf die Bühne. Das sympathische Quartett, das als Einflüsse so unterschiedliche Künstler wie KING CRIMSON, CONVERGE und SOPHIE HUNGER angibt, lieferte massive Achtsaiten-Gitarrenwände, ohne dass von den Songs wirklich viel hängenblieb. 20 Minuten, die zwar niemandem wehtaten, aber auch nicht viel mehr als Höflichkeitsapplaus nach sich zogen.

Ganz anders die Lage bei VOIVOD! Die SciFi-Thrash-Erfinder aus Quebec mussten sich als zweiter Anheizer unter Wert verkaufen (lassen). Nur acht Songs durften Snake (Denis Bélanger), Away (Michel Langevin), Piggy-Nachfolger Chewy (Daniel Mongrain) und der 2014 hinzugestoßene Bassist Rocky (Dominique Laroche) durch die Boxen jagen, aber die hatten es in sich. ‚Ripping Headaches‘ als perfekter Auftakt-Föhner, gefolgt vom Klassiker ‚Tribal Convictions‘ und dem Nothingface-Opener ‚The Unknown Knows‘ – ein feuchter Traum für den Rezensenten, der in den ersten Reihen mitbangen und -brüllen musste. Snakes Alien-Grimassen und seine leicht tapsigen Verrenk-Tänze waren Stageacting vom Irrsten – links und rechts ließen die Saitenkünstler ihre Mähnen kreisen, während der Elder Statesman des Avantgarde-Metal, Away, sein minimalistisches Drumkit aufs Feinste verdrosch. Ein fantastischer Gig einer legendären Band, die mit ‚Forever Mountain‘ gleich noch ein neues Stück vorstellte, das den auf ‚Target Earth eingeschlagenen High-Class-Weg konsequent fortsetzt. Beim kurzen Plausch in der Umbaupause verriet uns Away, dass die nächste Scheibe Mitte 2016 erscheinen wird und im Herbst eine ausführliche Clubtour durch Deutschland folgen wird. Wenn das keine guten Nachrichten sind!

NAPALM DEATH sind ein Phänomen, das keiner großen Erklärung mehr bedarf. Doch was die Death-Grind-Pioniere aus Birmingham in München abzogen, habe ich lange nicht mehr erlebt. Ein schlanker Barney Greenway, der kreuz und quer über die Bühne fetzte wie Mike Muir in seinen besten Zeiten, dazu eine extrem tighte Band, die den veritablen Moshpit nie zur Ruhe kommen ließ. Von ‚Apex Predator – Easy Meat‘ über ‚Scum‘ bis ‚Suffer The Children‘ und ‚Siege Of Power‘ spannte sich der fiese Bogen, beim DEAD KENNEDYS-Cover ‚Nazi Punks Fuck Off‘ musste man leichte Bedenken ob der Stabilität der Halle haben. Wahnsinns-Gig!

Da konnten OBITUARY im Anschluss nicht mithalten. Die Florida-Zombies mühten sich zwar nach Kräften und donnerten mit ‚Dying‘ und ‚Find The Arise‘ einen Doppelpack der sägendsten Sorte in die Menge, doch John Tardy (siehe Foto ganz oben) und seine Langsam-Verrotter hatten an diesem Abend einfach keine Chance zwischen den zwei englischen Schwergewichten.

Denn auch die Headliner CARCASS lieferten ein wahres Inferno und präsentierten sich deutlich souveräner als auf der Comeback-Tournee vor zwei Jahren. Front-Charismatiker Jeff Walker genoss die Ovationen, ließ sich vom Bodenventilator die Haare elegant nach hinten wehen. Das Stageacting war eher Nebensache bei Präzisionsgeräten wie ‚Incarnated Solvent Abuse‘ und ‚Captive Bolt Pistol‘. Der glasklare, brutal drückende Sound erledigte den Rest. Langsam aber sicher mussten jetzt auch die eifrigsten Wahnsinnigen im Publikum ihren Anstrengungen Tribut zollen. Das Finale mit ‚Corporal Jigsaw Quandary‘, ‚Mount Of Execution‘ und ‚Heartwork‘ ist in diesem Genre kaum zu toppen.

Fazit: Ein schweißtreibender Abend mit Frohsinns-Garantie. Auch VOIVOD nahmen ihre frühe Startposition mit Humor. Wie sagte Away so schön: „So what! Die verkaufen halt mehr als wir, das sind die Fakten. Aber dafür müssen wir nicht so lange backstage rumsitzen und können die Abende früher genießen. Cheers!“