Redebedarf

PARAGON

~ Interview mit Bassist Jan Bünning ~

~ JE OLLER, DESTO DOLLER!!! ~


Während sich manche Fußball-Vereine aus dem hohen Norden mittlerweile nur noch auf Zweitliga-Level bewegen (sorry, doch dieser Seitenhieb auf die „Dinos“ Hamburg und Hannover mußte jetzt sein, haha…), kocht die musikalische Delegation aus diesen Gefilden eifrig hochwertigen Stahl auf Bundesliga-Niveau, wie auch die jüngste Veröffentlichung von zum Beispiel PARAGON eindrucksvoll beweist.

Die, in ihren Anfangstagen vielleicht sogar etwas als Teutonic Metal-Band „belächelte“ Truppe, bringt seit Jahren und in stetiger Regelmäßigkeit professionellen, qualitativ internationalem Standard entsprechend, reinsassigen Heavy Metal unters Volk. Höchste Zeit also, um nach dem Release des aktuellen Metal-Statements ´Controlled Demolition´ ( https://www.saitenkult.de/2019/04/12/paragon-controlled-demolition/ ), mal wieder bei Bassist Jan Bünning anzuklopfen und nach dem Rechten zu sehen…

„Wir selbst haben uns eigentlich nie als besonders ‚teutonische‘ Band empfunden. Es gibt sogar nur eine deutsche Truppe, die uns maßgeblich beeinflußt hat und das ist ACCEPT. Ansonsten eher die Klassiker wie JUDAS PRIEST, alte IRON MAIDEN, etwas BLACK SABBATH und SAXON. Dazu dann noch Etliches aus dem Underground, US-Speed und sogar Thrash Metal, oder Formationen wie MERCYFUL FATE, OVERKILL, METAL CHURCH, AGENT STEEL, SAVAGE GRACE, EXCITER, HELSTAR, W.A.S.P., METALLICA, SLAYER und EXODUS. Teutonisch sind bei uns höchstens mal die stampfenden Titel, da hört man am ehesten unsere ACCEPT-Einflüsse heraus. Ansonsten kommen die Inspirationen für die Riffs eher von den eben genannten Bands und ich denke auch, dass wir schon länger einen eigenen, außergewöhnlichen Stil gefunden haben. Nenn‘ mir mal eine traditionelle Heavy Metal-Band, die zum Beispiel ein Thrash-Riff mit einem absolut melodiösen Refrain wie bei ´Reborn´ kombiniert, oder eine so mächtige Doom-Nummer wie ´Deathlines´ schreibt?“

Mir scheint auch, dass ihr mit jedem Album immer härter und härter werdet – „Je oller, desto doller…“ sozusagen, haha. Wie kommt’s – bewußte Entscheidung oder hat sich das beim Entstehungsprozeß der Songs einfach so ergeben?

„Hör dir mal den ganzen Mist an, der heutzutage als Heavy Metal bezeichnet wird. Die großen neuen Bands des Genres hören sich oft eher wie völlig überproduzierter Pop oder Schlager mit verzerrten Gitarren an. Und viele Underground-Gruppen haben leider oft eine beschissene Produktion, die dann als ‚old school‘ verkauft wird. Dabei können sie einfach nur noch nicht gut genug spielen, und sind zu geizig, um etwas mehr Geld für ein Studio zu investieren – zudem gibt es auch kaum noch gute Sänger. Die meisten klingen zu nett und sind absolut austauschbar. Heavy Metal-Sänger müssen wehtun! Die neuen, guten Metal-Bands die mir persönlich gefallen, kann ich, glaube ich, an einer Hand aufzählen. Und da wir ja selbst unsere größten Fans sind, dachten wir, ‚…machen wir halt ‚richtigen‘ Heavy Metal mit Eiern‘. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass wir den Scheiß jetzt endlich auch spielen können haha…“

Beim Intro habt ihr ja „frech“ bei SLAYERs ´Hell Awaits´ geklaut, haha – klingt in meinen Ohren nahezu identisch… Was sagst du dazu? Wie du bereits schon einmal erwähnt hast, sollte das ja ursprünglich ein „richtiger“ Song werden. Wieso hat es nicht dazu gereicht, oder sollte da gar eine Coverversion daraus entstehen, haha…?

„Eigentlich war die Hauptmelodie tatsächlich für einen Doom-Song gedacht, der aber nicht so richtig funktioniert hat. Da gibt es nur ein ganz grobes Instrumental-Demo, welches uns aber überhaupt nicht gefiel. Und da wir gerne ein Intro wollten, passte das ganz gut. Klar geht das Drum-Arrangement in Richtung des Intros von ´Hell Awaits´ und das hatte ich tatsächlich auch etwas im Hinterkopf, als ich die Grundmelodie hörte. Identisch ist aber absolut übertrieben. Bei den Akkorden hatte Martin (…Martin Christian, Gründer der Band – zwar nicht mehr fest im Line-up mit dabei, aber nach wie vor beim Songwriting-Prozeß und bei den Aufnahmen mit von der Partie – Anm. d. Verf.) eher alte KING DIAMOND-Sachen im Kopf. Ich glaube, da gibt es etliche ’schlimmere‘ Beispiele, wo Bands Riffs nahezu eins zu eins geklaut haben. Auch eine aus Hamburg, aber ich nenne jetzt mal keine Namen, hahaha…“

Das aktuelle Album ´Controlled Demolition´ ist ja sehr abwechslungsreich und vielschichtig ausgefallen, und deckt nahezu alle Facetten des Metal ab. Habt ihr da besonderes Augenmerk darauf gelegt?

„Diesmal ehrlich gesagt überhaupt nicht. Unsere Gitarristen haben zunächst alles an Riffs gesammelt, was ihnen eingefallen ist. Und ich habe dann Demos mit diesen Ideen arrangiert und an alle verschickt, Buschi (…Andreas Babuschkin, Sänger der Truppe – Anm. d. Verf.) hat seine Texte dazu gemacht, und am Ende wurde im Übungsraum alles noch einmal perfektioniert. Des weiteren wurden dann etwas konkretere Demos auf Grundlage der Übungsraum-Versionen erarbeitet. Als ich das Ergebnis dann gehört habe, war ich etwas erschrocken, da fast alle Stücke sehr schnell ausgefallen sind. Im Studio haben wir dann anschließend aber alles noch einmal etwas ‚aufgepimpt‘, so dass das Album jetzt tatsächlich sehr abwechslungsreich klingt. Worauf wir allerdings geachtet haben ist, dass die Songs schön kompakt klingen. Bei fast allen Nummern haben wir überflüssige Teile, Wiederholungen, etc. rausgeschmissen. So viele, recht ‚kurze‘ Kompositionen hatten wir fast noch nie für ein Album.“

Der Gesang bei PARAGON ist, wie so vieles natürlich, Geschmacksache und paßt eigentlich sehr gut zur Band. Andererseits scheint er mir, euch etwas zu limitieren. Vor allen Dingen vermisse ich persönlich etwas die „Screams“, oder höhere „Shouts“ – ausgenommen bei ´The Enemy Within´…

„Klar ist Buschi kein Halford oder Dio. Allerdings klingt er auch nicht wie einer dieser 08/15-Shouter oder gar ‚wimpig‘, und ist mittlerweile schon ein Markenzeichen der Band. Ich finde Formationen, die einen austauschbaren Sänger haben meist langweilig. Wie oben schon erwähnt, gibt es meiner Meinung nach derzeit zu viele davon. Ich finde allerdings auch, dass Buschi oft unterschätzt wird. Er besitzt eine recht breite Palette an Gesangsstilen. Wenn er beispielsweise gerade nicht mit seiner ’normalen‘ Stimme singt, kann er auch sehr tief ‚growlen‘, richtig klar singen, wie im Mittelteil von ´Deathlines´ nachzuhören, oder auch verdammt hoch kreischen. Er wird zwar oft mit Udo Dirkschneider oder Chris  Boltendahl verglichen – doch ich finde, er ist technisch aber sogar noch vielseitiger. Davon mal abgesehen, ist er auch ein super Frontmann, guter Texter und zudem ein sehr netter Freund.“

Darf man den Opener ´Reborn´ als eine Art „Hallo, wird sind auch noch (oder wieder) da!“ verstehen? Schließlich liegen ja auch schon drei geschlagene Jährchen zwischen ´Hell Beyond Hell` und dem aktuellen Album…

„Ein ganz klares – Nein!!! Denn so richtig weg waren wir ja fast nie. Vielleicht mal kurz nachdem ´Screenslaves´ erschienen ist, da die Band damals fast auseinander gebrochen wäre. Aber seit unserem quasi ‚Comeback‘ ´Force Of Destruction´, sind wir eigentlich ständig am Start und spielen auch recht regelmäßig Shows im In- und Ausland. Die längeren Pausen ergeben sich einerseits wegen des Songwritings, sind andererseits natürlich auch unseren sonstigen Verpflichtungen geschuldet. Alle in der Band haben Jobs und drei von uns sogar Kinder. Das kostet natürlich auch viel Zeit. Zwei bis drei Jahre zwischen den Alben finde ich ehrlich gesagt aber ganz okay. Es gibt Bands, die hauen im Jahrestakt Alben raus – aber besser werden diese dadurch selten. Ein PARAGON-Album soll etwas Besonderes sein und keine Füller oder schlechten Songs beinhalten. Theoretisch könnten wir wahrscheinlich auch jährlich ein Album veröffentlichen, aber die Qualität würde sicherlich darunter leiden. Um aber auf deine Frage zu ´Reborn´ zurück zu kommen: der Song handelt übrigens von einer ganz anderen Sache – es geht darin um Populismus. Dank des Internets verbreiten sich ja sogenannte ‚Fake News‘ in Sekundenbruchteilen und viele ‚Schäfchen‘ glauben ja erstmal alles, was im Internet steht. Kurz nach dem Release kommt übrigens auch noch ein Video zu dem Song.“

…und wo du gerade schon die inhaltliche Ebene ansprichst, würde mich dahingehend zum Beispiel der Text einer meiner Lieblingssongs des Albums interessieren: ´Musangwe (B.K.F.)`! Wer oder was ist bitteschön „Musangwe“ und wofür steht das „B.K.F.“?

„‚B.K.F.‘ ist die Abkürzung für ‚Bareknuckle Fight‘ – und genau das ist ein ‚Musangwe‘. Ein Ritual, welches es schon sehr lange in vielen verschiedenen, in diesem Falle, afrikanischen Ländern gibt. Es läuft wie folgt ab: die Bewohner eines Dorfes versammeln sich, bilden einen Kreis und zwei Männer bekämpfen sich dann mit bloßen Händen inmitten dieses Kreises. Buschi hat eine Reportage darüber gesehen und daraufhin den Text verfasst.“

Was steht bei euch inhaltlich generell im Vordergrund? Klassische Metal-Texte wie etwa bei ´Mean Machine´ oder auch aktuelle Themen?

„Früher waren es zum größten Teil tatsächlich klassische Metal-Texte. Aber heute sind es eher dystopische Themen, wie etwa Überbevölkerung in ´Abattoir´, das Ende der Welt in ´Blackbell´, Populismus wie erwähnt in ´Reborn´ oder der Traum vom ewigen Leben wie in ´Timeless Souls´ etwa. Ich finde die Texte sehr unterhaltsam, wie kleine Science Fiction-Stories und oft mit einem ironischen oder sarkastischen Unterton versehen, wie beispielsweise bei ´Abattoir´: ‚…watch the data on your wrist – time is up now / The order’s out, they’re on your back, getting you somehow / Damn the stupid body cult and all your healthy life / All in vain, to be erased – no chance to survive / Abattoir – transforming human meat / Abattoir – create the perfect wheat / Locked up and crammed – trained and jammed / Abattoir – destination for the damned‘!

Ist der Rausschmeißer ´…Of Blood And Gore´ gar ein Wink mit dem Zaunpfahl auf einen baldigen PARAGON-Death Metal-Song? Der Titel läßt es jedenfalls vermuten, haha…

„Haha, nein! Obwohl Buschi locker Death Metal singen könnte. Die bösen Chöre auf der Nummer sind übrigens unter anderem von Piet Sielck (…IRON SAVIOR-Mainman und Produzent von PARAGON – Anm. d. Verf.), mir und ein paar Freunden. Wir haben sogar mal darüber gewitzelt, einige PARAGON-Titel mit runtergestimmten Gitarren als Death Metal-Versionen neu aufzunehmen – die Band würde dann wohl HELLGORE heißen, hahaha…“

Die hanseatische Connection mit Piet Sielck scheint ja auch, und nicht nur bei den Chören im Abschlußsong, reibungslos zu funktionieren!

„Klar, Piet steht zum Teil auf dieselben Bands wie wir, allen voran JUDAS PRIEST und ACCEPT. Außerdem haben wir nicht so viel Bock außerhalb von Hamburg aufzunehmen. Piet ist recht flexibel, was die Aufnahmezeiten angeht. So können wir manchmal zum Beispiel auch nur einen halben Tag aufnehmen. Durch seine Leitung sind wir über die Jahre hin als Band sicherlich auch gewachsen, denke ich.“

Zurück zum Album. Was ich ja bereits schon in meiner Rezension angesprochen habe, sind die tollen, sehr melodischen Gitarrensoli. Schüttelt ihr diese einfach so aus dem Ärmel, oder steckt da ein längerer, intensiver Prozeß dahinter?

„Die Soli haben sich zum großen Teil mein Namensvetter Jan (…Bertram – Anm. d. Verf.) und Martin geteilt. Jan ist ein sehr guter Techniker und tüftelt recht lange an seinen Soli herum. Er kann zwar auch improvisieren, aber mag es dennoch lieber vorbereitet zu sein. Er schickt dann meistens nur eine Version seiner Soli, die dann in der Regel auch genommen wird. Martin indes ist das genaue Gegenteil: er hört sich einen Soloteil an, überlegt kurz und spielt dann erstmal drauflos. Manchmal paßt es dann mehr oder minder auf Anhieb, manchmal braucht er aber ein paar Anläufe. Die verschiedenen Arbeitsweisen ergeben aber einen guten Kontrast und ich finde, die beiden bilden eines der besten Gitarren-Teams Deutschlands.“

Was steht denn in Sachen Live-Promotion für ´Controlled Demolition´ auf dem Programm? Festivalauftritte, oder sogar eine ausgedehnte Tournee im Vorprogramm einer bekannteren Band? Wäre meiner Ansicht nach der nächste logische Schritt für PARAGON (idealerweise natürlich als Opener für JUDAS PRIEST oder ACCEPT, grins…) Würde jedenfalls hervorragend passen…

„Schön wäre es natürlich. Lange Tourneen sind aber eher unwahrscheinlich, da wir eben alle Jobs und drei von uns Familie haben. Da setzt man im Alter eben andere Prioritäten. Wenn uns aber eine kürzere Tour angeboten werden würde, könnten wir dies aber sicher organisieren. Ich hoffe, dass wir durch die Album-Veröffentlichung noch ein paar Angebote für Festivals an Land ziehen können – aber ‚Booking‘ ist sicherlich der härteste Teil des Banddaseins. Es gibt heute ja etliche junge Bands, die einfach überall für ‚Umme‘ spielen. Können sie natürlich gerne machen, aber wenn ihnen ihre Musik etwas wert ist, sollten sie das nicht allzulange tun. Wir spielen in der Regel nur gegen Gage. Das dabei verdiente Geld fließt dann größtenteils in die Produktion der Alben. Ab und an bleibt sogar auch mal etwas hängen, aber nicht sehr viel. Doch für die Kohle bekommen die Fans und Veranstalter auch was geboten. Ich glaube, wir haben noch nie ein enttäuschtes Publikum hinterlassen und verhalten uns den Veranstaltern gegenüber immer recht fair. Das ‚Booking‘ habe ich bislang eigentlich immer selbst gemacht, versuche derzeit aber eine geeignete Booking-Agentur für PARAGON zu finden. In naher Zukunft werden wir wohl voraussichtlich ein paar Shows mit IRON SAVIOR spielen. Mehr Konkretes gibt es zum jetzigen Zeitpunkt aber leider noch nicht zu berichten…“

…und gut Ding will eben Weile haben!

Mein Dank geht an Jan Bünning, für das sehr offene, ehrliche, ausführliche und durchaus auch spaßige Gespräch!

https://www.facebook.com/paragonmetal/


(Fotos: Stefan Malzkorn)