Redebedarf

PARADOX

Vollbedienung statt Stilbruch!


Als 1987 das Debütalbum ‚Product Of Imagination‘ der Würzburger Thrasher PARADOX erschien, hätte sich der gute Charly Steinhauer (v, g) wohl auch nicht träumen lassen, dass es die Band 25 Jahre später immer noch geben würde. Aber auch 2012 sind PARADOX musikalisch so relevant wie eh und je und haben mit ‚Tales Of The Weird‘ ein tolles neues Album veröffentlicht, das auf jeden Fall mit dem alten Haudegen besprochen werden musste.

Gratulation zum neuen Album, das mir wirklich sehr gut gefällt. Als ich das Coverartwork gesehen habe, dachte ich sofort: „Sieht ja ein bisschen aus wie ‚Heresy‘!“ War das beabsichtigt? Musikalisch würde ich ‚Tales Of The Weird‘ nämlich nicht unbedingt als ‚Heresy‘ Nachfolger bezeichnen…

„Zunächst einmal vielen Dank für das Kompliment. Das Cover sollte bewusst etwas an unser bis dato erfolgreichstes Album ‚Heresy‘ erinnern. Ursprünglich war auch die textliche Fortsetzung der Story geplant, aber wir haben es dann wieder verworfen. Musikalisch gebe ich dir vollkommen Recht ist ‚Tales Of The Weird‘ kein Nachfolger. Es ist ein völlig eigenständiges Album, welches viel mehr Spannungsmomente besitzt als ‚Heresy‘. Es ist vielseitiger als alle anderen PARADOX Releases zuvor.“

Der Opener erinnert mich stark an ICED EARTH, hört man als Songschreiber selber auch Parallelen zu anderen Bands oder ist man eher überrascht, mit welchen Vergleichen Außenstehende so ankommen?

„Oft ist man überrascht, mit welchen Bands man so verglichen wird, aber um den Fans einen Anhaltspunkt zu geben, muss man ja Vergleiche ziehen. Deshalb haben wir damit auch überhaupt keine Probleme. Das Schöne an diesem Opener ist, dass man die neun Minuten wie fünf Minuten empfindet. Ein gutes Zeichen! Manchmal kommt es aber durchaus vor, dass man sich selbst als Songwriter dabei ertappt, den einen oder anderen Part so ähnlich schon einmal bei seinen Lieblingsbands gehört zu haben. Diesmal ist mir das bei unseren Japan Bonus Track ‚Drowning In Lies‘ passiert. Da klingt ein Mittelpart sehr nach ‚Creeping Death‘ von METALLICA. Ich denke, das steuert das Unterbewusstsein, denn wer kopiert schon absichtlich andere Bands und schmückt sich mit fremden Federn? PARADOX jedenfalls nicht! Gegen Inspiration ist jedoch nichts einzuwenden.“

Auf ‚Tales…‘ habt Ihr mit Achim Hömerlein (Ex-VENDETTA) einen außenstehenden Textschreiber eingebunden, warum war das nötig?

„Ich hatte noch nie das Talent dazu, Texte zu schreiben und es wäre fatal selbst Texte zu schreiben, nur um welche zu haben. Da sich zuvor Kai Pasemann darum gekümmert hatte, mussten wir uns nach unserer Trennung nach einem geeigneten Texter umsehen und haben in Achim „Daxx“ Hömerlein den besten Mann gefunden, den man sich dafür vorstellen kann. Es ist schlichtweg phänomenal was er hier abgeliefert hat. Daxx ist übrigens nicht abgeneigt auch für andere Bands Texte zu schreiben. Ich kann ihn nur uneingeschränkt empfehlen und er wird auch in Zukunft die Lyrics für PARADOX übernehmen. Die Themen kamen überwiegend von der Band. Ich habe die Melodielinie und Wortsetzung vorgegeben und daraufhin hat Daxx das Beste daraus gemacht. Beim schreiben selbst hatte er freie Hand und es wurde auch nachträglich nichts verändert. Was er da hingezaubert hat, war perfekt und konnte man auch alles so stehen lassen. Unsere Begeisterung ist sogar so groß, dass Daxx als fünftes Bandmitglied zählt und im CD-Booklet dementsprechend mit einem Bild in gleicher Größe wie die Musiker gewürdigt wurde.“

Auch vor diesem Album gab es wieder Umbesetzungen im Hause PARADOX. Seit dem Comebackalbum ‚Collision Course‘ sind vier komplette Line Ups ausgetauscht worden, wie kommt sowas? Charly, ist es so schwer, mit Dir zusammen zu arbeiten?

„Ha ha ha, natürlich kommt das Einem so vor, aber die Gründe lagen nicht im menschlichen Bereich. Kai Pasemann musste die Band verlassen, weil er mit der Band und seinem Job als Anwalt überfordert war. Wir wollten mehr Einsatz, aber er konnte einfach nicht. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander und es gab – wie auch bei Roland Jahoda – kein böses Blut. Eine Band wie PARADOX verlangt aber einen gewissen Einsatz der Mitmusiker, sonst hat man heutzutage keine Chance. Die Konkurrenz schläft nicht und man darf sich nicht nur auf guten Kritiken ausruhen, sondern muss stetig daran arbeiten. Der Split mit den Holzwarth Brüdern nach ‚Collision Course‘ hatte seinerzeit den Grund, dass PARADOX mehr als Projekt denn als Band angesehen wurde. Zurecht, denn es war einfach kaum möglich, Konzerte mit Ihnen zu machen, da Oliver Holzwarth ständig mit BLIND GUARDIAN und SIEGES EVEN beschäftigt war. Ähnlich war es auch bei Alex Holzwarth. Wir haben aber dennoch eine gute Freundschaft und ich bin u.a. auch Sänger in Ihrer neuen Band BLOOD ICON. Hier ist für 2013 ein Album geplant.“

Als ich hörte, dass der junge griechische Gitarrist Gus Drax bei PARADOX eingestiegen sei, habe ich schon befürchtet, dass das zum Scheitern verurteilt ist. Wieso nimmt man einen Musiker in die Band auf, der einer anderen Generation angehört und in einem anderen Land lebt?

„Unglaublich, aber dennoch gut nachvollziehbar und auch verständlich, wie man das so von außen betrachtet, wenn man nicht dabei gewesen ist. Ähnlich wie bei den anderen Line-Up Wechseln hatte aber alles seine Gründe. Gus Drax war der Erste, der uns nach der Trennung von Kai Pasemann kontaktierte und mehr als nur Interesse zeigte. Er wollte unbedingt dabei sein. Als wir seine außergewöhnlichen Fähigkeiten bestaunten und danach einige sehr vielversprechende Telefonate auch bezüglich seiner professionellen Einstellung hatten, beschlossen wir, es mit Ihm zu versuchen, wenngleich im Hinterkopf schon das logistische Problem im Raume stand. Gus versicherte uns, dass dies das kleinste Problem sei und er innerhalb drei Stunden auf der Matte stehen könnte, wenn er gebraucht wird. Kurz darauf kam sein Einberufungsbescheid der griechischen Armee und die Träume zerplatzten schnell. Er konnte nicht mehr für PARADOX arbeiten und alles drehte sich nur noch um die Armee. Er konnte auch nichts dafür, aber hätten wir gewartet, dann wäre alles noch viel später geworden. Ja und wie es der Zufall will, fanden wir in der Zwischenzeit Christian Muenzner, der nur 45 Autominuten entfernt wohnt. Wir haben mit Gus ein tolles freundschaftliches Verhältnis und deshalb bat ich ihn auch, wenigstens ein Solo zum Album beizusteuern. Er hat bei ‚Fragile Alliance‘ ein Weltklasse Solo abgeliefert und man wird noch von Ihm hören. Das ist ein Wunderknabe, der sich hinter Marty Friedman und anderen Guitarheroes nicht zu verstecken braucht. Das braucht sich allerdings unser Christian auch nicht.“

Ist PARADOX 2012 noch eine Band oder ist es das „Charly-Steinhauer-Projekt“ mit wechselnden Mitmusikern? Fühlt es sich immer noch wie dieselbe Band an, die Du 1986 gegründet hast?

„Für Außenstehende ist Charly Steinhauer gleich PARADOX. Das war schon immer so und geht mir ehrlich gesagt ein bisschen auf die Nerven, denn in mir sieht es völlig anders aus. Ich wollte immer eine gut funktionierende Band haben und auf gar keinen Fall ein Projekt oder den Alleinunterhalter spielen. Ich lege kein Rockstargehabe an den Tag und gehe auf die Fans zu. Nehme mir jede Zeit, die ich habe. Man verkennt mich, wenn man sich auf Line Up Wechsel beschränkt, aber ich bin dir dankbar dass du mir die Möglichkeit gibst, dass ich das hier klarstellen darf. Immerhin gibt es PARADOX nun schon offiziell seit 26 Jahren. Eigentlich schon seit 31 Jahren, nur hatten wir damals andere Bandnamen. In einer solch langen Zeit verändern sich Menschen und bei vielen wechseln die Interessen. Ich bin der Sache bis heute treu geblieben, habe nie aufgegeben und glaube an die jetzige Besetzung. Sicher fühlt es sich nicht mehr so an, wie damals als ich die Band gegründet habe, aber ich habe viel Hoffnung, dass wir diesmal endlich ein konstantes Line Up haben. Beide Neuzugänge sind PARADOX Fans. Das hatten wir noch nicht. Ich hatte so viel Pech in den Jahren. Einmal muss man doch mal Glück haben.“

Fotos: AFM

Die Alben seit ‚Collision Course‘ sind alle bei AFM erschienen. Die beiden davor ursprünglich bei Roadrunner. ‚Product Of Imagination‘ und ‚Heresy‘ sind 1999 bei High Vaultage und 2007 bei Metal Mind auf CD wieder veröffentlicht wurden, welche CD Version bevorzugst Du und warst Du jeweils bei den Rereleases eingebunden?

„Am besten gefallen mir die Re-Releases von Metal Mind Productions. Bei den Rereleases von High Vaultage, bei denen mich Oliver Klemm schon mit eingebunden hat, sind lediglich die Bonus Tracks nicht gut. Wir hätten lieber unveröffentlichtes Material beigesteuert, aber es gab einfach nichts. Alle Songs, die ich komponiert habe, wurden später auch irgendwann auf CD veröffentlicht.“

Wird es zu ‚Tales Of The Weird‘ wieder mehr Livedates geben? Soweit ich gehört habe, habt Ihr Euch live u.a. deshalb rar gemacht, weil Du gesundheitliche Probleme hattest…

„Es gab zwei Gründe weshalb PARADOX keine Tourneen absolviert haben. Zum einen die unsäglichen Line Up Probleme und zum anderen meine gesundheitlichen Probleme, die mich Jahre gekostet haben. Unsere erste Show für ‚Tales Of The Weird‘ findet am 07.03.2013 in Luzern, Schweiz statt. 2013 steht eigentlich im Zeichen der Live Shows. Mit diesem Line-Up dürfte das möglich sein, denn Jeder will spielen.“

Was gefällt Euch eigentlich besser, eine Tour durch kleiner Clubs mit längere Spielzeit oder ein Auftritt bei einem Open Air mit großem Publikum aber begrenzter Spielzeit?

„Was ich persönliche besser finde kann ich gar nicht so beantworteten, denn Beides hat seinen speziellen Reiz. Wer spielt nicht gerne von großem Publikum, aber die beste Atmosphäre erlebte ich jedoch bei Clubshows. Hier ist man näher an den Fans und sie kommen auch wegen uns und nicht wegen 20 anderen Bands. Ein Open Air hingegen ist die bessere Werbung, weil man hier gleich viel mehr Leute anspricht. Hat beides was.“

PARADOX waren auf diversen Samplern vertreten – mich interessieren insbesondere die frühen Sampler wie ‚Teutonic Invasion‘, ‚Thrash The Wall‘ oder ‚Stars On Thrash‘ – hattet ihr Mitspracherecht oder haben Euch Roadrunner da einfach mit draufgepackt? Was hältst Du generell von Samplern (wie z.B. der Metal Massacre Reihe)?

„’Metal Massacre‘ ist Kult! Bei ‚Stars On Thrash‘ und ‚Thrash The Wall‘ haben uns Roadrunner Records einfach nur mit draufgepackt. Bei ‚Teutonic Invasion Part 1‘ war auch klar, dass es ‚Pray To The Godz Of Wrath‘ werden wird. Da hatten wir kaum Einfluss. Es gibt sinnvolle Sampler wie eben ‚Metal Massacre‘ und es gibt diejenigen, die man nur veröffentlicht um schnelles Geld zu machen. Von letzteren halte ich gar nichts.“

Wie würdest Du den typischen PARADOX Fan beschreiben? Ist das eher Jemand, der ‚Product Of Imagination‘ und ‚Heresy‘ bei Erscheinung gekauft hat und Euch bis heute treu geblieben ist oder eher Jemand der PARADOX erst nach 2000 entdeckt hat?

„Superschwere Frage! Viele Fans schreiben mir immer wieder, wie lange sie schon PARADOX treu sind. Von daher sehe ich den „’Heresy‘-Fan“ als typischen PARADOX Anhänger, aber wir haben natürlich mit den Nachfolgewerken jede Menge neuer Leute hinzugewonnen. Ich glaube fest daran, dass wir mit ‚Tales Of The Weird‘ viele weitere Metal-Fans ansprechen werden, die die Band bisher vielleicht nur vom Hörensagen gekannt haben.“

Meinst Du, dass PARADOX vielleicht erfolgreicher geworden wären, wenn die Band eben nicht aus Würzburg stammen würde, sondern z.B. aus der Bay Area?

„Ja, da gebe ich Dir auf ganzer Linie recht. Würden PARADOX aus San Franzisko stammen, wären wir auf einer Ebene mit TESTAMENT. Musikalisch zählen PARADOX zu den „German Big 4“. Wer schafft es sonst, über einen solch langen Zeitraum mit jedem Album in den Soundchecks ganz oben mit dabei zu sein? Ich bin überzeugt, wenn PARADOX außerdem ausgiebige Tourneen absolviert hätten, dann hätten wir in Deutschland einen Status wie BLIND GUARDIAN. Den größten Erfolg haben wir in Japan. In Europa ist nach Deutschland wohl Griechenland das Land mit den meisten PARADOX Fans.“

PARADOX 2012 klingen stilistisch zwar nicht mehr so wie in den Anfangstagen, aber trotzdem seid ihr nicht ausgewimpt. Wie kommt es, dass PARADOX bisher noch kein „schwarzes Schaf“ in Ihrer Diskographie haben?

„Danke schön! Wenn ich die Gitarre zur Hand nehme, klingt das schon nach PARADOX. Wenn ich einen Song komponiere, achte ich natürlich darauf, dass kein Durchschnittsmaterial bestehen bleibt. Ich weiß, was der PARADOX Hörer von uns erwartet und er soll die Vollbedienung bekommen. Ich lasse keine Parts zu, nur um den Song fertig zu bekommen. Da bin ich sehr akribisch in meiner Arbeitsweise. Ich stehe zu 100 Prozent hinter jedem Riff, den ich geschrieben habe und das soll auch so bleiben. Jeder, der ein PARADOX Album kauft, kann sich darauf verlassen, nicht enttäuscht zu werden. Hier wird kein Stilbruch betrieben. Nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft.“

Charly, denkt man in Deinem Alter auch schon mal ans Aufhören und macht sich Gedanken, wie lange man noch Metal spielen kann und will? Ich hoffe natürlich, dass uns PARADOX noch möglichst lange erhalten bleiben werden, aber wo siehst Du Dich und Deine Band in 5 oder 10 Jahren?

„Grundvoraussetzung ist, dass ich gesund bleibe. Ich werde diese Band nie auflösen. Mir werden die Ideen auch nie ausgehen. Es kann nur sein, dass dieser Stil vielleicht irgendwann nicht mehr angesagt ist. Selbst dann wird es weitere PARADOX CDs geben und wenn es nur dazu dient unsere „alten“ Fans glücklich zu machen. Wenn ich nie mehr auf die Bühne könnte, dann würde ich trotzdem neue Musik schreiben. Das ist es doch, was die Leute hören wollen. Ich möchte nie so enden wie beispielsweise TWISTED SISTER, die sich nur auf alte Lorbeeren ausruhen und Konzerte geben, aber keine neue Musik mehr bieten können. Wir haben mit Ihnen 2008 in Norwegen gespielt. Tolle Live-Band, aber immer wieder dieselben ollen Songs. Irgendwann wird es dann doch langweilig. Sie sind nicht mehr jung, aber sie brauchen wohl das Geld, ha ha ha.“

So, das war’s von mir. Willst Du noch was loswerden?

„Ich wünsche dir und allen Lesern ein metallisch erfolgreiches 2013! Hört mal in unser neues Album ‚Tales Of The Weird‘ rein. Es lohnt sich definitiv für jeden Metal Fan – egal ob Power, Speed oder Thrash Metal. Seit Christian Muenzner in der Band ist, stehen sogar die harten Death Metal Fans drauf. Wir sind nicht auf einen bestimmten Stil limitiert. Wir spielen ganz einfach dass, was uns am Besten gefällt: HEAVY METAL!“

So soll es ja auch sein!