Redebedarf

MORBID JESTER

Interview mit Thomas Strömmer


MORBID JESTER haben mir ihrer neuen Scheibe ´Something Wicked´ so überrascht und begeistert, dass wir weitere Infos von den Herren aus der Umgebung von Dillenburg erfahren wollten. Also stand ein Interview mit Gitarrist Thomas Strömmer an. 

17 Jahre sind seit ‚Gates To Valhalla‘ vergangen, eine lange Zeit. Was ist nach der Veröffentlichung damals alles passiert?

Eine ganze Menge. Nachdem unsere Sänger Stefan Scholl ausgestiegen war und wir mit Stefan „Addi“ Eichert einen hervorragenden Ersatz gefunden hatten, lief eigentlich alles prächtig. Dann verlor Addi bei einem Arbeitsunfall das Leben und das hat uns alle natürlich extrem schockiert und zurückgeworfen. Wir hatten als Band sehr lange daran zu knabbern gehabt und uns erst mal nicht direkt auf die Suche nach einem neuen Sänger begeben. Das waren die dunkelsten Stunden in unserer Bandgeschichte. Als wir dann wieder soweit waren, haben wir dann mit Allan Bunnell unseren weiteren Glücksgriff getätigt. Ab dann rotierte die Position des Led-Gitarristen leider ständig, das Drama hat sich über Jahre hingezogen und wir waren froh, mit Chris Bunnell, der übrigens der Sohn von Allan ist, den Posten besetzen zu können.

Lag die Band in all den Jahren eigentlich richtig auf Eis und war sie in Euren Köpfen letztlich auch mal beerdigt worden?

Nein, nie. Wir haben selbst in den schwersten Zeiten wie nach Addis Tod immer geprobt und auch in den Zeiten, als wir von Besetzungswechseln verschont geblieben sind, regelmäßig Auftritte gespielt. Eigentlich ist uns die Zeit gar nicht so lange vorgekommen…

Wie habt Ihr denn ursprünglich zur Musik, zum Musikmachen gefunden?

Eigentlich ist die Band aus einem Kreis von Musik-Verrückten entstanden. Wir träumten immer davon, eine eigene Band zu haben. Irgendwann haben wir das in die Tat umgesetzt und uns Instrumente gekauft. Nachdem wir unsere ersten Gehversuche als Punk-Band hinter uns gebracht hatten, wechselte der Stil relativ schnell in Richtung Metal. Tatsächlich spielen unser Schlagzeuger Markus und ich schon seit dem ersten Tag zusammen in dieser Band.

Und wie empfandet Ihr die Underground- oder die Metal-Szene im Allgemeinen in den 90ern?

Die Szene war zwar viel weniger vernetzt wie heute, von Internet war ja noch nicht die Rede, aber irgendwie „bunter“. In den 90ern war es nicht so wichtig, welche Art von Metal man spielte, Konzerte wurden quer durch alle Stilrichtungen organisiert. Allerdings war die Kontaktaufnahme zu Bands außerhalb der heimischen Szene wesentlich komplizierter, das war schon manchmal ein Abenteuer bis man Kontakt hatte.

…. und die in Mittelhessen?

Die Szene hier verhielt sich ähnlich, tatsächlich war es ein eingeschworener Haufen, den man an den damals üblichen Plätzen antreffen konnte. Wie gesagt, es war vollkommen egal, welche Stilrichtung, Hauptsache es hatte was mit Metal zu tun…
Habt Ihr Euch als letzter Hoffnungsschimmer im sterbenden True-Metal gefühlt?
Ne, auf diesen Sockel wollen wir uns mit Sicherheit nicht stellen. Meiner Meinung gibt es gerade in dieser Szene sehr viele Bands, die extrem gut sind und die Fahne hochhalten!

Hat der Metal, der den ihr kennt und liebt, eigentlich überlebt?

Ja, zweifelsfrei. Dies kann man ja auch auf Festivals wie dem KIT oder dem leider nicht mehr stattfindenden Swordbrothers eindrucksvoll erleben. Außerdem finde ich, dass es gerade im True Metal-Bereich in den letzten Jahren sehr viele, sehr gute Newcomer gegeben hat.

Rückblickend ist Euer Line-up bis heute recht stabil, der größte Verschleiß war bei den Sängern. Wie kommt’s?

Sänger und Lead-Gitarristen. Die Wechsel waren eigentlich weitgehend im persönlichen Anliegen der jeweiligen Mitglieder begründet. In den meisten Fällen war es eigentlich die fehlende Zeit aus beruflicher oder privater Hinsicht.

Wie habt Ihr Euren Sänger Allan gefunden?

Allan wurde uns von einer gemeinsamen Bekannten Susi Müller vermittelt. Sie betrieb zu dem Zeitpunkt eine Promotion-Agentur. Allan wollte neben seiner Cover-Band gerne eigene Musik machen, wir suchten einen Sänger. Ein Treffen, schon war er dabei.

Lebt Euer Texaner eigentlich in Deutschland?

Ja, und das seit über 25 Jahren. Er ist damals mit der US-Armee nach Deutschland gekommen und geblieben.

Immerhin dürfen wir nun von einem waschechten Comeback sprechen oder hat sich bei Euch einfach die Arbeit am neuen Werk über die gesamte letzte Dekade hingezogen?

Eigentlich ist das kein Comeback. Uns hat es immer gegeben, wir haben immer geprobt und auch Live-Auftritte absolviert. Irgendwie hat es nur sehr lange gedauert.

Habt Ihr denn keine unzähligen Demos an die einschlägigen Metal-Labels verschickt und den Zuschlag an den Meistbietenden gegeben?

Ehrlich gesagt nicht. Andi Preissig von ´Battle Cry Records´ war ja früher bei ´Iron Glory´, wo unsere letzte Scheibe ´Gates To Valhalla´ veröffentlicht wurde. Der Kontakt zu Ihm ist nie abgerissen, er bot uns direkt einen fairen Deal an und so sind wir wieder bei Ihm gelandet.

Hattet Ihr Euch bei diesem Album etwas Besonderes vorgenommen, etwas besonders gut zu machen?

Nein, wir haben die Songs genauso geschrieben wie wir es immer getan haben, gemeinsam im Proberaum. Das Ergebnis ist das, was allen Mitgliedern gefällt und zusagt. Ein Plan oder Konzept steckte nicht dahinter.

Nehmt Ihr heutzutage anders als noch 1991 auf?

Ja, ganz zweifelsfrei. Wir haben das neue Album selbst im eigenen Studio produziert. Dadurch hatten wir natürlich sehr viel Zeit und haben einige Songs mehrfach über den Haufen geworfen und umarrangiert. Früher haben wir ein Studio gebucht und hatten 1 ½ Wochen Zeit, die Songs aufzunehmen. So war das wesentlich entspannter, leider hat es dadurch auch sehr lange gedauert…

Mit dem neuen Werk in der Tasche. Wie sehen da die kommenden Tour-Aktivitäten aus?

Wir sind gerade dabei, einige Gigs zu buchen, leider ist dies aus beruflicher Hinsicht nicht so einfach, immer alle Mitglieder unter einen Hut zu bekommen. Aber ich denke man wird dieses Jahr einiges von uns hören.

Ist Eure Band heutzutage ein teures Hobby?

Ja, teuer auf jeden Fall. Als kleine Band ist man schon froh, wenn man möglichst wenig drauflegen muss. Verdienen kann man heutzutage sicherlich nichts mehr mit der Musik, gerade das Thema mp3 macht es eigentlich sehr schwer, die Kosten für eine CD-Produktion wieder reinzuholen. Heute ist eine CD eher Werbung für Konzerte. Aber als Hobby würde ich es nicht bezeichnen, eher eine Herzensangelegenheit. Ich glaube, alle unsere Mitglieder könnten ohne Musik nicht leben. Wenn schon zwei Wochen Probepause ist, fängt es bei allen an zu kribbeln.

Bald werden MAIDEN und PRIEST abdanken, sind SABATON und EDGUY würdige Nachfolger auf den Headliner-Positionen des Festivals?

Würdige Nachfolger sind es auf jeden Fall. Ob heute eine Band aber nochmal so groß wie die alten Bands werden kann, mag ich bezweifeln. Die großen Namen werden auf jeden Fall eine Lücke hinterlassen, ob diese von anderen Bands gefüllte werden können, müssen die Metal-Fans entscheiden.

Glaubst Du die Entwicklung der Szene, hin zu viele kleine Splitter-Stil-Gruppierungen, hilft ihr oder nimmt ihr eher die Kraft und Stärke einer geeinten, großen Musikrichtung?

Hm, das hat natürlich gute und schlechte Seiten. Es sorgt zum einen dafür, dass die Bands eine zwar kleinere aber treue Fangemeinde aufbauen können. Im Umkehrschluss sorgt es aber leider auch dafür, dass keine der Bands wirklich groß werden können, dafür gibt es einfach zu viele Gruppierungen. Außer bei den großen Festivals im Sommer, kommt es leider selten zur Vermischung der einzelnen Stile auf Konzerten. Natürlich gibt es auch einige Konsens-Bands, die verschiedene Gruppen vereinen.

Wird es nochmals DIE Metal-Band geben, die die Szene eint, hinter der alle stehen, sozusagen geschlossen in der ersten Reihe die Fäuste recken?

Ich glaube leider nicht, zumindest wüsste ich aktuell keine Band, die dies bewerkstelligen könnte. Selbst Bands wie METALLICA, die früher eigentlich von fast jedem geliebt wurden, haben ja heute genauso viele Hater wie Fans. Durch die genannte Zersplitterung der Szene bekommt da wohl keine Band mehr die Chance dazu. Ich würde mich aber freuen, falls ich mich irren sollte!

Müssen wir auf ein neues Album weitere zehn Jahre warten?

Ich hoffe nicht. Wir arbeiten schon an neuen Songs. Natürlich müssen wir jetzt erst mal abwarten, was die aktuelle CD bringt. Aber das Kapitel MORBID JESTER ist mit Sicherheit noch nicht allzu bald beendet. In diesem Sinn: „Raise the Metal Fist“!

 

 

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