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YE BANISHED PRIVATEERS – First Night Back In Port

2017 (Napalm Records) – Stil: Pirate Music


Meine liebsten Piratenfolkpunks aus Schweden haben mit ‚Napalm Records‘ ein wirklich erstklassiges Label für sich gewinnen können und endlich das Album veröffentlicht, auf dem das von mir seit den ‚Wacken Winter Nights‘ im Februar 2017 sehnsüchtig herbeigewünschte ´Annabel´ in einer majestätischen Studioversion zu hören ist. Aber so weit sind wir noch nicht.

Das Gesamtwerk umfasst fünfzehn Songs in vier Kapiteln, erzählt die Geschichte der verbannten Freibeuter, der wilden Annabel, die ein tragisches Schicksal erlitt und anderer Geschichten rund um das „Cooper’s Inn“. Der Rum fließt schon auf dem kultigen Cover in Strömen und die wilde Sause ist in vollem Gange. Mit ihrem Überhit ´Annabel´ steigen die PRIVATEERS dann auch gleich in den bunten Reigen großartiger Hymnen für die Ewigkeit ein. Sängerin Magda verkörpert perfekt die lebensfrohe, aber immer wieder vom Leben in der neuen Welt gebeutelte Annabel, die am Ende des Stücks nach einem Indianerüberfall durch einen Pfeil im Knie Wundfieber bekommt und diesem dann erliegt. Sie verkörpert diese Kunstfigur in ihrer Performance sogar so überzeugend, dass man bei Auftritten der Band schon zu Tränen gerührt ist. Großartige Sängerin und Darstellerin. Aber das gilt hier für die komplette Band. Die Studioversion von ´Annabel´ beginnt mit leichtem Meeresrauschen, einem entspannten Cajon-Beat und Magdas Gesang auf der ersten Strophe. Ein dezenter Orgelteppich erscheint zum ersten Refrain hin, dann kommen Banjo und Flöte hinzu, der Bass setzt ein und beim „Heave away, haul away“-Part der Strophe wird Magda von einem Männerchor unterstützt. Die Instrumentierung wird ausgebaut, der Klang im Verlauf immer voller. Ein machtvolles Stück Musik, einfach in der Ausrichtung, aber komplex strukturiert. Es passiert soviel im Hintergrund der sehr präsenten Gesänge. Solch eine Hymne schreibt man nicht oft, selbst bei einer solchen Hymnendichte, wie sie Alben der YE BANISHED PRIVATEERS mit sich bringen.

Noch vollkommen erschlagen und verbrannt vom Fieber des Openers geht es zur inneren Abkühlung in den Schwarzen Kater, eine vielleicht ja nicht ganz so fiktive Taverne. Peter, der fies aussehende Schwarzbart mit der grollend tiefen Stimme trägt die Leadvocals dieses Tanzliedes. Der irische Folksound ist omnipräsent, der Rhythmus scheint ein verschleppter Shuffle zu sein, lädt zum fröhlichen Engtanz und Schunkeln. Insgesamt kann man bei den PRIVATEERS von einem hohen Shanty-Anteil im Stilmix sprechen. Ein schneller Tanz auf Basis keltischer Jigs ist dann das Titelstück, bei dem verschiedene Leadsänger (Jim, Magda zumeist) zur fröhlichen Zusammenkunft rufen. Klassischer Folkpunk, wie man ihn von den POGUES oder GAELIC STORM bereits kennt und liebt, allerdings mit einem verschleppten Zwischenpart. ´All The Way To Galway´ ist etwas melancholischer, der growlende Peter growlt in der Strophe über einem flott stampfenden Beat, die Instrumentalisten zaubern wieder ihre straighten und ergreifenden Melodien, der Refrain ist Folk im Walzertakt mit einfacher, schöner Grundmelodie. Neckisch sind immer diese Einblendungen von johlenden und grölenden Piraten in ihrer Taverne, aus denen die Songs herauswachsen. ´Cooper’s Rum´ ist wieder ein schöner Tanz auf einem irischen Reel basierend, eingängiger Refrain mit Magda als Leadsängerin, Männerchöre, Ihr kennt das Spiel.

Die Musik von den PRIVATEERS ist kein Hexenwerk, die Songs stets von der Instrumentierung her gleich aufgebaut mit allen Mitteln, die den Schweden zur Verfügung stehen.´Skippy Aye Yo´ ist wieder so ein schlichter Shanty mit schöner roher Leadstimme, langsam, sehnsuchtsvoll von der Melodie her mit schönen Geigen, Akkordeon und Tin Whistles. Ergreifend. Die Ballade des Albums, wenngleich natürlich ein wenig erdiger als das himmelsstürmerische ´Annabel´. Jim darf sich dann an ´I Dream Of You´ versuchen und bringt das Stück grandios ins Ziel. Ein tanzbarer, leichtfüßiger Groove, eine eingängige Folkmelodie mit eher skandinavischer Note, dieselbe coole Instrumentierung, voll, warm und leidenschaftlich gespielt. Keltische und skandinavische Elemente vereinen sich hier zu einem sehr lustvollen Folk, der gerade in den instrumentalen Passagen des Stücks voll zur Geltung kommt. BAM!!!! Treffer! Und das ist nur die eine Hälfte des Albums. ´A Declaration Of Independence´ und ´For A Fragile Moment’s Ease´ sind die anderen beiden Stücke aus Kapitel Zwei, die ich noch kurz vorstellen möchte. Ersteres ein sehr langsam und intensiv beginnendes Lied, ein Marching Song, der mich an die Rebellenhymnen im Irish Folk erinnert. Einfache, leicht mitsingbare Melodie, Marschiertempo, packende Lyrics. ´For A Fragile Moment’s Ease´ hat am Anfang eher etwas von einer Rockballade, wenngleich natürlich keine Rockinstrumentierung vorliegt. Wunderschön gesungen, wunderschön aufgebaut und auf einmal kommt wieder dieser tänzelnde Rhythmus, der immer schneller und wilder wird, bevor alles wieder in sich zusammenfällt.

Wie erwähnt, die erste Hälfte des Albums ist rum und ich bin der glücklichste Mann der Welt, denn fürwahr, aus der Musik der YE BANISHED PRIVATEERS sprechen Brüderlichkeit und leidenschaftliche Lebensfreude zu Dir, wenn Du ihnen zuhören möchtest. Ich beende hier mein Review mit dem Hinweis, dass das gleiche Spiel auch in der zweiten Halbzeit vonstatten geht. Hymne reiht sich an Hymne, wunderschöne Harmonien, eindringliche Texte und frische Songs mit alter Seele, benebeln Dich und ziehen Dich in die brodelnden Hexenkessel des Schwarzen Katers oder des Cooper’s Inn. Lovely! Somit haben wir es mit einer beinahe perfekten Platte zu tun. Und beinahe PERFEKT bedeutet für mich 9,5 Punkte!