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WUCAN – Reap The Storm

2017 (Haensel & Gretel/MIG) – Stil: Kraut-fueled Heavy Flute Rock


EP, Album, Doppelalbum – WUCAN operieren bei ihrer Diskographie nach dem Maximierungsprinzip. Die Länge der Werke (nach 30 und 40 sind es dieses Mal satte 74 Minuten) ist aber auch das einzig formelhafte am Œuvre der Dresdner Kräuterrocker. Gegenüber dem 2015er Debüt-Langdreher `Sow The Wind´ präsentieren sich WUCAN auf `Reap The Storm´ stilistisch noch breiter gefächert; an Inspiration und Mut hat es der Band ohnehin noch nie gefehlt.

´Wie die Welt sich dreht´ eröffnet das Album mit Percussion und Wahwah, die Gitarre gibt das Thema vor, auf das Francis Tobolsky mit Verve einsteigt. Die Frontfrau singt, schreit, seufzt, schnurrt und gurrt ihre Systemkritik („Tanzen im Takt der Maschinerie, der Lüge schöner Melodie…“) voller Inbrunst, das Ganze ist luftig eingewoben in farbenfrohe Tribal-Gewänder – so schnell können zehn Minuten vorbeigrooven. ´Ebb And Flute´ setzt um, was sein Titel verspricht. Schwere Riffs wechseln sich mit federleicht springenden Flöten-Passagen ab, aus der Ferne grüßt der EP-Hit ´Franis Vikarma´. Zum Bühnenfeger dürfte sich alsbald auch ´Out Of Sight Out Of Mind´ entwickeln, ein hardrockiger Galopper mit klassischem Fistraiser-Refrain, der WUCANs Metal-Kompatibilität sicherstellt. ´I’m Gonna Leave You´ paart im Anschluss FREE-Einflüsse mit Funk und Soul. Der Ex-Freund, den Francis hier offensichtlich besingt, wird sicherlich begeistert sein von Textzeilen wie „You’ve got that electric touch, but won’t light a firework under my skirt“…

Der Flöten-Ohrwurm ´The Rat Catcher´, zu dem WUCAN ein sehenswertes Video gedreht haben, und das folkige ´Falkenlied´ beschließen die erste Hälfte des Albums, Teil zwei besteht aus den beiden Longtracks ´Aging Ten Years In Two Seconds´ (21 Minuten) und ´Cosmic Guilt´ (18), in denen die Band beweist, dass sie auch auf jazzigem Terrain punkten kann. Das in neun Teile gegliederte ´Aging…´ ist bei aller Experimentierfreude bemerkenswert schlüssig arrangiert und wartet zum Ende hin mit Bläsern auf. Das Schlussstück kommt einer meditativen Erfahrung gleich: Sitar, Mellotron und Fuzz-Gitarren verschmelzen zu einem faszinierenden Ganzen und gewähren Blicke jenseits aller Grenzen. Francis hat ihren Trakl gelesen.

Fazit: Ist die Musikwelt noch halbwegs bei Verstand, dann sollten WUCAN mit `Reap The Storm´ dahin vordringen, wo die leicht überbewerteten BLUES PILLS schon sind. Wer die Siebziger und den Krautrock liebt, aber hier nicht zuhört, der macht sich schuldig – im irdischen Sinne.

(8,5 Punkte)