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VITRIOL – Into The Silence I Sink

~ 2012 (Melodic Revolution Records) – Stil: Prog-Metal ~


VITRIOL ist die Abkürzung für „Visita Interiora Terrae Rectificando Invenies Occultum Lapidem“ („Visit the Interior Parts of the Earth; by Rectification Thou Shalt Find the Hidden Stone“) und geht zurück auf den im frühen 17. Jahrhundert gegründeten Rosenkreuz Orden. Ein erstes Werk war die „Fama Fraternitatis“, in der Christian Rosenkreuz erstmals namentlich erwähnt wurde. Rosenkreuz‘ Ansichten stehen in einer Entwicklungslinie des Neuplatonismus, der Kabbala, Alchemie, des Paracelsismus und eines sich aus dem Geist der Mystik erneuernden protestantischen Christentums. Um genau dieses Thema drehte sich auch das Konzept der ersten Veröffentlichung von VITRIOL, einer EP gleichen Namens aus dem Jahre 2009. Nachdem die italienische Band auch das amerikanische Label Melodic Revolution Records überzeugen konnte, brachte das Label um den Jahreswechsel endlich das Full-Length-Debüt `Into The Silence I Sink` heraus. Während der Eröffnungssong noch Einflüsse bzw. Merkmale von DREAM THEATER offenbart, besonders in der genialen hochmelodischen Bridge, werden VITRIOL hernach immer eigenständiger. Die Band ist weit verspielter als es PAIN OF SALVATION in ihrer brillanten Anfangsphase waren, geht aber durchgehend viel düsterer in ihrer Musik zu werke. Innerhalb der Songs gibt es zudem auch eingestreute ruhige Parts, die die grandiosen Fähigkeiten der Band für Stimmungen offenbaren. Gianluca Pappalardo ist glücklicherweise kein neues James LaBrie, bewegt sich aber mit einer solchen Hingabe, inklusive Geflüster und kurzem Sprechgesang, und vollem Einsatz durch das Album. Dabei muss er nicht nur alle Stimmungsschwankungen und Gefühle transportieren, sondern auch seinen Gesang aus mehreren Ebenen rund um das Konzept des Albums präsentieren. Mag es an der Aussprache liegen oder nicht, so erinnert Pappalardo mit seinem Gesang auch etwas an Terence Holler. Und damit ist auch schon ein weiterer Einfluss der Band heraus, denn VITRIOL erinnern gerne an die superben Anfangstage von ELDRITCH. Dazu kann man nun auch noch einen klitzekleinen Schuss VANDEN PLAS in den alchemistischen Sound-Topf werfen und all die aufgezählten Bands zeigen zumindest ein wenig auf, in welchen – aber sehr eigenständigen – Bahnen sich VITRIOL bewegen. Und nachdem es auf der EP um die Alchemisten des 17. Jahrhunderts ging, dreht sich das Album nun tiefgründiger um das Thema des Schweigens, um die komplette Abwesenheit jeglicher Kommunikation. Und damit ist man aber auch wieder mitten im Thema des Rosenkreuz Ordens, wenn die Band im zweiten Song `I´ll seek endlessly the hidden stone` singt. Die Stille ist dabei ein dauerndes Thema; die Stille, die die vollkommene Kommunikationsunfähigkeit hervorbeschwört. Sei es durch die Probleme in der städtischen Umgebung oder direkt zwischen den menschlichen Personen an sich. Bis schließlich im letzten Song alles endet („My god, my god, why have you forsaken me? Into the silence alone I sink with my broken hopes … it is finished!“). Aber was endet? Der einzelne Mensch? Die Hoffnung? Die ewigen Fragen des kleinen denkenden Lebewesens auf dem Planeten. Aber was endet? Das Album `Into The Silence I Sink` auf jeden Fall nicht, denn die Scheibe wächst mit jedem Hören. Dabei erscheint eine Punktevergabe von untergeordneter Bedeutung. Wahrscheinlich wird dieses Album in zehn Jahren als Klassiker gelten. Zur Zeit fast … 9 Punkte