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ROGER WATERS – Is This The Life We Really Want?

2017 (Columbia/Sony)


Is This The Life We Really Want? Nein, George Roger Waters, der im kommenden September seine 74 Lenze vollendet, will dieses Leben nicht. Er will es nicht für sich, nicht für seine vier ex-Ehefrauen, nicht für seine drei Kinder und nicht für Dich und nicht für mich.

Denn Roger Waters ist zornig, ist verärgert, entrüstet und hegt großen Groll. Nicht über sein persönliches Leben, sondern über das gesamte Weltklima. Über jeden Politiker und insbesondere über sein neues Feindbild Donald Trump. Selbst über jeden einzelnen auf der Welt, denn alle Bürger, die Wähler, sind ebenso schuldig, verantwortlich an der heutigen Situation, wähnen sich doch viele der Linken zu und wählen die Rechte.

Zwar können wir nichts ungeschehen machen, aber den Mächtigen wirft Roger ein großes ‚Fuck You‘ entgegen, ihnen mag er nicht mehr zuhören, all ihrem bullshit, all ihren Lügen. Unterdessen die Uhr der Welt, die Lebensuhr von uns allen, die von Roger tickt … in einem Universum, in dem wir alle viel zu klein sind und vollkommen unbedeutend, ticken die Zeiger … tick, tock, tick, tock.

Dann detonieren die Bomben, mitten unter uns, täglich im Kriegsgebiet. Zeit für Roger Waters, um der Menschheit nach 25 Jahren ein neues Werk zu schenken. Zeit, um nach 40 Jahren an den Meilenstein ´Animals´ anzuknüpfen. Zeit, um das Album zu kreieren, das PINK FLOYD hätten komponieren sollen. Verschwimmen doch die Zeiten von ´Shine On You Crazy Diamond´ langsam und unaufhörlich in der fernen Vergangenheit, heißt es in 2017 vielmehr: „Wish You Were Here in Guantanamo Bay“.

Der Zorn ist spürbar. Die Wut wird zwar in ihrer Radikalität in einem ruhigen Ton vermittelt, eine elektrische Gitarre darf vielfach neben der akustischen ruhen, dennoch zerstören einschneidende Geräuschkulissen jeglichen Frieden. Die Stimme nicht brüchig, nicht kraftlos, eher an der Seite von Leonard Cohen stehend, und mit einer Sprache versehen, die alle politisch engagierten Rocker und Punker in der Gosse heulen lässt. Voll von starker Poesie und einer einmalig bildreichen Sprache. Sterbende Menschen in Afghanistan, sterbende Flüchtlinge am Meeresufer und ein hirnloser Führer an der Spitze der westlichen Welt.

Eine herausragende Produktion von Nigel Godrich gibt dabei dem neuzeitlichen, schnoddrigen Polit-Rocker, seinem Bass und der Gitarre alle Luft zum Atmen, und baut um ihn herum eine schalldurchlässige Mauer aus Keyboards, artrockigen Tastenstreichlern, Saitenstreichern, Bläsern sowie Anklänge an den großen Gig im Himmel auf. Bekanntlich wartet der auf uns alle. Zuvor lässt immerhin die dreiteilige Suite im Finale zumindest einen Funken Hoffnung an die große Liebe offen. Hinter der Fassade, hinter allen Mauerwerken tobt derweil noch das Leben, Möwen kreischen, Hunde japsen, unsere Herzen rasen und die Uhren ticken. Wie lange noch? Is This The Life We Really Want?

[Klassiker]