PlattenkritikenPressfrisch

ROBERT PLANT – Carry Fire

2017 (Nonesuch Records/Warner Music)


ROBERT PLANT muss angesichts seiner Verdienste mit LED ZEPPELIN verehrt, aufgrund seiner Stimme geliebt werden, auch heutzutage noch. Aber im Gegensatz zu vielen lebenden oder verblichenen Sängern anderer Jahrhundertgruppen, darf ebenso sein Lebenswerk als Solokünstler nicht vernachlässigt werden. Selbst im überdimensionalen Schatten der Meilensteine des Luftschiffes stechen einige Großwerke von ihm hervor. Werke von einer Größe, auf die mit ihren Eigengewächsen höchstens Peter Gabriel und – teilweise – Ian Gillan zurückblicken können, Freddie Mercury nicht.

Obwohl sich Plant in den 80er Jahren noch auf der Suche befand, warfen die 90er mit ´Manic Nirvana´ einen Lichtblick und mit ´Fate Of Nations´ eine echte Großtat ab. In diesem Jahrtausend ist der 69-jährige überhaupt nicht mehr aus dem Rampenlicht wegzudenken. Dabei spannt er 2017 den Bogen von seinem letzten Werk ´Lullaby And … The Ceaseless Roar´ mit den Sensational Space Shifters zu seinem 2007er Roots-Werk ´Raising Sand´ mit Alison Krauss und dem Americana-Vermächtnis 2010 ´Band Of Joy´. Er eint seine amerikanischen und europäischen Wurzeln absolut flüssig mit afrikanischen, gibt sich weiterhin seinen Ursprünge hin, dem des Folk und Blues, dem aus England und Amerika, den Roots von LED ZEPPELIN. In aller Vitalität und Stärke erneut ebenfalls ein Verdienst seiner Sensational Space Shifters: John Baggot (Keyboards), Justin Adams und Liam „Skin“ Tyson (Gitarre) sowie Dave Smith (Schlagzeug). Miteinander legen sie eine Klangwirkung gleich eines Orkans hin.

Obwohl das Album nicht die Rückkehr des hart rockenden Zeppelins heraufbeschwört – eine Réunion schien eine Zeitlang in greifbarer Nähe – und die Mehrzahl der Lieder als kraftvolle Akustik-Folksongs vibrieren, führt es zu Beginn direkt zu den glanzvollen ´III´-Zeiten von LEP ZEPPELIN zurück. Jeder Musiker scheint ein akustisches Instrument dröhnend in die berstende Geräuschkulisse des wertvollen ´The May Queen´ und in die 1001ste Nacht von Mumbai im Titelsong ´Carry Fire´ zu werfen.

Altersweise schenkt uns Robert Plant Lebenserfahrungen von der Liebe, Erzählungen über Entdecker und Reisende in der Fremde. Wenn die Rockabilly-Gitarre und ein klagender Plant in ´Carving Up The World Again … A Wall And Not A Fence´ die Kavallerie sowie nach vermehrtem Schutz ruft, dann erhebt sich seine Stimme nicht nur gegen England, Frankreich und China, sondern gegen die USA und alle Mauerbauer. Ein Höhepunkt nicht nur aus lyrischer Sicht. Selbstredend strahlt der Gesang in einer Ballade wie ´Season’s Song´ wie ein illuminierter Goldkelch in finsterster Nacht. Da darf ´New World…´ allein von seinem Riff und dem textarmen Jauchzen Plants oder ´Bones Of Saints´ vom kurzfristigen Rausch zwischen Gitarrenraspeln á la Mark Knopfler leben.

Ferner hält das Songmaterial die Klavier-Ballade ´A Way With Words´, das elektronisch, annähernd RADIOHEAD-dimensionierte ´Keep It Hid´ sowie das vorzügliche Cover-Duett mit Chrissie Hynde ´Bluebirds Over The Mountain´ bereit. Trotz des Titels ´Dance With You Tonight´ handelt es sich hierbei um kein schlichtes Lied zum Schwofen, eher zum Laben an den Lippen des Meisters. Zerbrechlich und seelenwärmend ist seine Stimme vielleicht nicht mehr gar so schmerzvoll in ihrer Breite, so auch im finalen ´Heaven Sent´ erkennbar, aber umso mehr in ihrer Tiefe, da trägt sie weiterhin das Feuer in sich.

(8 Punkte)

http://robertplant.com
https://www.facebook.com/robertplant/