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PHIL LANZON – If You Think I’m Crazy

~ 2018 (Phil Lanzon Ditties/Cargo Records UK) – Stil: Symphonic Hard Rock ~


Was macht ein Musiker mit seinen Kompositionen, die er nicht bei seiner Stammformation unterbringt? Er veröffentlicht ein Solo-Werk. Was macht ein brillanter Musiker mit seinen glänzenden Ideen außerhalb seiner Hauptband? Er veröffentlicht auf eigene Faust ein Werk, das keinesfalls nach der Musik seiner regulären Partner klingt.

Von Philip James „Phil“ Lanzon, seit 1986 Keyboarder bei URIAH HEEP, können wir letzteres berichten. Der bald 68-jährige Musiker war zudem in der Vergangenheit immer wieder für Überraschungen, sei es vor Dekaden mit der Pomp-NWoBHM-Combo GRAND PRIX oder Kollaborationen mit Grant & Forsyth, John Lawton, Mick Ronson, SWEET oder Chris Spedding gut. Seine Veröffentlichung ´If You Think I’m Crazy´ springt daher keineswegs auf den Zug, den zurzeit jede zweite Vintage-Combo besteigt, den URIAH HEEP-Sound retrogresk aufzubereiten.

Unter Mithilfe von Richard Cottle (u.a. Alan Parsons Project, John Parr) produzierte Simon Hanhart (u.a. ASIA, MARILLION, WAYSTED) das Solo-Werk von Phil Lanzon. Sein entscheidender Kompagnon in der Gruppenbesetzung dieses Werkes ist Gitarrist John Mitchell (ARENA, FROST*, IT BITES), der ebenso zur Eröffnungsnummer ´Mind Over Matter´, einer pompösen, einprägsamen und herausragenden Rocknummer, und dem in einem überbordenden Chorgesang endenden ´I Knew I Was Dreaming´ den Lead-Gesang übernimmt. Auch ´Kelly Gang´ ist ein fetter Pomp-Rocker, den hingegen Andy Makin (PSYCHO MOTEL) gesanglich veredelt. Der Gesang von John Mitchell weckt zwar zwangsläufig Gemeinsamkeiten zu ARENA, dennoch fühlt sich die Musik von Phil Lanzon mollig heimisch auf der Fährte von ASIA, STYX, GENESIS, späten KANSAS und SEVENTH KEY.

Mit der reichen Orchestrierung aus den Händen des London Telefilmonic Orchestra und edlen Backgroundgesängen wäre Meister Lanzon geradezu prädestiniert über ´Donna & Joe´, mit Spieluhr und Streichern, eine Rock Opera zu kreieren. Doch viel lieber präsentiert uns Phil Lanzon einen bombastischen Genre-Mix, der wie aus einem Guss klingt und in den Siebzigern, vielleicht noch Anfang der Achtziger, für Furore und Popularität gesorgt hätte. Für die Drums zeichnet sich dabei Craig Blundell (Steven Wilson, FROST*) und für den Bass Laurence Cottle (u.a. The Alan Parsons Project, Bill Bruford’s Earthworks) verantwortlich. Allein ´I Saw Two Englands´ überrascht, keinesfalls abschreckend, mit Banjo sowie Pedal Steel, Phil Lanzons großartigem Gesang und einer Country-esken Stimmung. ´Carolin´ ist obendrein hierzu passend die schmachtende Mid-Tempo-Ballade. Und natürlich lässt Phil Lanzon seine Hammond B3, Klavier und Fender Rhodes erschallen, vorzüglich in ´Lover´s Highway´ oder dunkellila und mit Folk-Flair in ´The Bells´. Die epische Schlusskomposition ´Forest´, in der Phil Lanzon den Wald und all ´The Trees´ des kanadischen Dreigestirns in den Zauberwald verlegt, und das wundervolle Fantasy-Coverartwork von Michael Cheval, früher der erste Anreiz eines Blindkaufs, runden dieses sinfonische Rock-Meisterwerk ab.

(8,5 Punkte)

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