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APOCALYPSE – Apocalypse / Rewind

1994-1998 / 2017 (Arkeyn Steel Records) – Stil: Progressive / US Metal


Verdammt und zugenäht. Manche Dinge sollten einfach auf keinen Fall in der Versenkung verschwinden, sofern sie überhaupt mal zu Tage gefördert werden. Da ist für einen QUEENSRYCHE eine Religion, mit LIZZY BORDEN ging man zur Schule und auf der jahrelangen Suche nach Gruppen, die auch nur annähernd den Anschluss finden können, wird man in Bezug auf die Erstgenannten eigentlich nur bei der ersten LETHAL wirklich fündig. Und ich dachte, ich hätte einen qualifizierten Abschluss in progressiver Melodik…nix da, durchgefallen!

Da stolpert der Rezensent 2017 (!) zufällig über APOCALYPSE aus Michigan und deren diesjährige Wiederveröffentlichung ihrer beiden damals in Eigenregie veröffentlichten Alben ‚Apocalypse‘ (1994) und ‚Rewind‘ (1998) und versteht die Welt nicht mehr. Wie konnte mir dieser Fauxpas der Unwissenheit und dieses Riesenversäumnis nur unterkommen? Ich schiebe es mal wie bei den vielen TYRANTs dieser Welt auf die stattliche Anzahl von über einem Dutzend APOCALYPSEn, die mir den Genuss dieser beiden Meisterwerke bis jetzt verschleiert hat. Besser spät als nie, denn ohne diese Komplettwerkschau in Form einer Doppel-CD, hätte ich ungerne die Reise über den Styx antreten wollen.

Den Erstling ‚Apocalypse‘ hat Kollege Jürgen aufmerksamen Stöberern in unseren ‚Forgotten Jewels‘ bereits schon wärmstens ans Herz gelegt [siehe hier], deshalb fasse ich mich mit einer absoluten Kaufempfehlung kurz und beleuchte nur ein wenig das Nachfolgewerk, welches die pathetischen Pfade etwas verlässt, jedoch nur um weiterhin mit umwerfenden Songs und weitreichenden Ideen zu überzeugen.

Trumpfen auf dem sieben Titel starken Erstling noch drei Longtracks auf, die euch zusammen schon eine der schönsten knappen halben Stunden in eurer Sammlung bescheren, werden vier Jahre später acht Nummern und ein schnuckeliges SANTANA-Abschlussinstrumental kredenzt. Diese Altmeisterreminiszenz findet sich auch im Mittelpart von ‚Shining In The Distance‘, welches als siebenminütiges Herzstück mit seiner genialen Komplexität und gar Mark Zonder´schem High End-Drumming an FATES WARNING zu ‚Perfect Symmetry‘ Zeiten erinnert. Außergewöhnliche Strophen zeichnet ‚Glimpse‘ aus, ‚Vacant‘ kommt aus einem Paralleluniversum, in dem LIZZY BORDEN bei RUSH singt. Einer der wenigen ‚Warning‘ Verdachtsmomente fällt im Vergleich zum Vorgängeralbum bei der Halbballade ‚Someone‘, während danach auch gerne die PSYCHOTIC WALTZ-Fraktion aus den Spiraltürmen dem fantastischen ‚Rewind‘ lauschen kann. ‚Means To An End‘ lässt sogar ein RAMMSTEIN-Riff rrrrrollen – doch keine Angst: erneut hohe Liedkunst, die sich wie ein roter Faden durch beide Alben zieht, mit feinsten Gitarrensoli und versiertem Bassspiel.

Ihr solltet meiner langjährigen Bildungslücke nicht anheim fallen und ich sehe nach Ablauf der Klassikerbewährungszeit keinen Grund, weniger als das Maximum zu vergeben.

(9 + 1 Punkt für einen historischen Doppelschlag)

 

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