PlattenkritikenPressfrisch

ALKALOID – The Malkuth Grimoire

~ 2015/2018 (Eigenverlag/Season of Mist) – Stil: Progressive Extreme Metal ~


Während Du dieses Review liest, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du gerade unter dem Einfluss von Alkaloiden stehst, nicht gerade gering. Die natürlich vorkommende chemische Substanzgruppe ist bekannt dafür, psychoaktiv zu wirken, Deine Aufmerksamkeit und vor allem die Wahrnehmung der Welt um Dich zu verändern, und dies sowohl auf körperlicher wie auch psychischer Ebene. Das kann durch etwas so alltägliches wie den notwendigen, morgendlichen Koffeinschub oder die „Ziggi danach“ passieren, und auf deutlich eindrücklichere Weise durch den medizinischen Ge- wie gesellschaftlich geächteten Missbrauch von Opiaten, Mescalin, LSD und anderen halluzinogenen Wirkstoffen.

Wenn sich eine deutsche Band Bewusstseinsveränderung durch die Exploration musikalischer Grenzüberschreitung auf ihr Banner schreibt, und ihre Mitglieder sich fast komplett aus der bayrisch-akademischen Musikerelite um die Bands OBSCURA, NECROPHAGIST, BLOTTED SCIENCE, DARK FORTRESS, NONEUCLID, SPAWN OF POSSESSION sowie im Falle von Danny Tunker ABORTED und GOD DETHRONED rekrutieren, ist bei Tech-Death-Fans sofortige Abhängigkeit nicht ausgeschlossen. Aber wem erzähle ich das alles eigentlich? Echte Fans von Namen wie Bandgründer Hannes Grossmann, Morean, Christian Münzner und Linus Klausenitzer haben sich vermutlich sowieso schon 2014 an der Crowdfunding-Aktion für die Aufnahmen zum Debüt ´The Malkuth Grimoire´ beteiligt und kennen den Stoff dieser „deutschen Extrem-Metal-Supergroup“ in- und auswendig. Die gute neue Nachricht ist jedoch: jetzt gibt es das Ganze auch auf Vinyl! Denn ALKALOID haben bei ‚Season of Mist‘ unterzeichnet und arbeiten gerade an ihrem Zweitling, und bis dahin haut das Label die limitierte Scheibe in vier Farben heraus.

Für alle aufgeschlossen Neugierigen, die bisher noch keinen Kontakt mit dem auf Platte konservierten Spannungsfeld sämtlicher extremer Spielarten des Metal hatten, hier nun fusioniert mit verschiedensten Einflüssen aus der Klassik-, Jazz- oder Flamencoausbildung dieser Ausnahmemusiker, kann ich nur empfehlen, diesen nun dringend nachzuholen. Es erwartet Euch der Glücksfall und Genuss, fünf Music-Addicts dabei zu belauschen, wie sie all ihre individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen und musikalischen Visionen zu einer gemeinsamen Mission zusammenführen, die da heißt, diesmal alles anders zu machen als in den bisherigen Stammbands, den stilistischen Rahmen endgültig zu sprengen zugunsten perfekter Metalsongs auf dem Fundament von technischem Death Metal, Black Metal, Thrash, Doom und nicht zuletzt dem Progressive, Artrock und Fusion vor allem der 70er. Völlig befreit genießen sie dabei ihre instrumentalen wie kompositorischen Fähigkeiten beim Ausloten aller Möglichkeiten. Euch erwartet ein extrem vielseitiges Album voller Dynamik und Spielfreude, natürlich wird auch nicht zu knapp geshreddet, aber stets im songdienlichen Maß (einzige Ausnahme: ´C-Value Enigma’, ein instrumentale Speed-Fingerübung, die vermutlich nur für totale Freaks wirklich interessant ist).

Diese Platte umfasst 73 Minuten Spielzeit, ist also eher etwas für sehr viel Muße, und nicht jeder wird sich diese Komplexitätsattacke auf einmal komplett geben können. Für ungeduldige Einsteiger daher ein paar ganz unterschiedliche Anspieltipps: ´Carbon Phrases’ macht gleich zum Einstieg klar, wohin der Weg hier nicht führt – (Hoch-)Geschwindigkeit ist kein Thema, wir bewegen uns eher in Gefilden von YES zu ´Drama’-Zeiten mit viel cleanem (Chor)gesang, machen erneut Bekanntschaft mit Linus’ druckvollem Fretless-Bass und erfreuen uns an drei Ausnahmegitarristen, die sich die Solobälle zuwerfen, ohne dass sich jedoch irgendeiner profilieren müsste. Achtung Stilwechsel: eingängiger als ‘Cthulhu’ kann Death Metal kaum daherkommen: stampfend, düster, mächtig – wie es sich nun mal bei diesem Titel gehört. ´Alter Magnitudes’ wiederum ist ein schneller, hocheingängiger Göteborg-Style Melo-Death-Groover und eine sehr OBSCURA-lastige Spielwiese, auf der sich diesmal vor allem Hannes Grossmann austobt. Beim balladesken ´Orgonism’ erprobt Morean eine neue Art von gleichzeitig cleanem als auch reibeisenrauem Gesang, während seine Mitspieler uns in einen melancholischen, langsamen Walzer einlullen. Das vierteilige ‘Dyson Sphere’ ist mit seinen 15 Minuten fast eine eigene EP innerhalb der LP, wobei klar ist, dass auch die meisten anderen Songs Überlänge haben, bei so viel an Ideen und Innovationen, die es hier zu entdecken gibt.

V. Santura hat als Krönung des Ganzen seinen alten Kumpels einen präzisen, aber vor allem auch warmen Sound verpasst, der jedem seinen Platz gibt und lässt. Insgesamt eine wunderbar reife und trotz ihres hohen Anspruchs leichte und beschwingt-entspannte Platte für den anspruchsvollen Connaisseur höchster metallischer Instrumentalkunst!

(Ausnahmescheibe – 9 Punkte)

 

www.alkaloid-band.com
www.facebook.com/alkaloid.metal