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DAVID GILMOUR – Live At Pompeii (Blu-ray)

2017 (Columbia Records / Sony Music) – Stil: Artrock


Die antike Stadt Pompeji (lateinisch Pompeii, italienisch Pompeï) am Golf von Neapel wurde im Jahre 79 n. Chr. durch den Ausbruch des Vesuvs verschüttet. Achtzehn Stunden tobte der Vulkan und ließ die meisten Menschen sogleich ersticken oder von runterrasselnden Gesteinen sterben. Dabei wurde die Stadt schlichtweg konserviert und erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt, nachdem sie jahrhundertelang vergessen schien.

Mehrere tausend Jahre später begab sich am 7. und 8. Juli 2016 erstmals ein Rockpublikum in das Amphitheater zum Fuße des Vesuvs. Jeweils 2.600 Menschen füllten den Innenraum des Theaters, das einst 20.000 Menschen gefasst haben soll, und betraten den sandigen Boden, auf dem einst die Gladiatoren im ersten Jahrhundert n. Chr. kämpften. Und sie feierten die Rückkehr von David Gilmour in die Stadt, die bereits 1971 im Mittelpunkt des Konzertfilms „Pink Floyd – Live At Pompeii“ stand. Die beiden Konzertabende in 2016 fanden im Rahmen seiner `Rattle That Look´-Tournee statt, die Gilmour ebenso zu anderen historischen Orten auf dem Erdball führten.

Das steinerne Amphitheater in Pompeij war im alten Rom als „Spectaculum“ bekannt, David Gilmour sollte auf seine Art auch ein Spektakel zurückbringen. Sein Lichtdesigner Marc Brickman bediente sich daher seines langjähriger Geschäftspartners, der Firma Strictly FX, die den Himmel am Ende eines jeden Abends in ein Lasermeer verwandeln sollte.

David Gilmour playing the amphiteatre in Pompeii for the first time in 45 years since Pink Floyd recorded a concert film there in 1971, and the first time ever since the erruption of Vesuvius in AD79 that there has been an event with an audience in the venue.

Die Aufnahmen für dieses Konzertereignis, unter der Regie von Gavin Elder, erfassen jedoch zu Beginn in der brennenden Hitze des Tageslichts das Theater in seinem von Oben wunderbar anzuschauenden Rund sowie ovalen Innenbereich, das in der langsam einbrechenden Dunkelheit mit brennenden Flammentürme illuminiert wird. Ein Cyclorama-Screen, eine kreisrunde Leinwand, steht als Fixpunkt auf der Bühne dieser Wahnsinns-Location, um den herum alle Leuchtquellen geradezu das Bild einer UFO-Landung oder wahlweise einer Pyramiden-Beleuchtung erzeugen. Doch bevor das Laserlicht-Inferno ausbricht, schießen bereits zuvor die Feuerfontänen in die Höhe.

Musikalisch eröffnet natürlich ein unüberhörbares Pling aus der Gitarre David Gilmours das außergewöhnliche Konzert, das zweifellos auch seiner großartigen Begleitband zu verdanken ist. Diese besteht ohnehin aus seiner Tourneeband mit Guy Pratt, Phil Manzanera, Stevie DiStanislao, Theo Travis, Jon Carin, Kevin McAlea sowie seinen Backgroundsängerinnen und -sänger, die ihre Befähigung spätestens beim selten gespielten ´The Great Gig In The Sky´ außerhalb der Vorlage überreichlich zeigen. Einem Song von Rick Wright, dem ehemals kongenialen Partner an den Tasten von David Gilmour, für den das folgende ´A Boat Lies Waiting´ gewidmet und geschrieben ist. Einen gleichgesinnteren Kompositionspartner im Geiste fand er nämlich nie wieder. Die Gitarre des Meisters scheint derweil, der Örtlichkeit angemessen, schon Patina angesetzt zu haben und als der Song ´What Do You Want From Me´ im Rund erschallt, skandiert die Menge anschließend einhellig „David, David“. Zu ´The Blue´ ist der Bühnennebel zweckmäßig blau erhellt, während bei ´Wish You Were Here´ Gilmour im Kegel des weißen Scheinwerferlichts steht und das Publikum lauthals mitsingt. ´One Of These Days´, der einzige Song aus den Tagen von ´Pink Floyd – Live At Pompeii´, zündelt in einer sinfonischen Glut mit der Steel-Guitar und das live als Rocknummer aufgehende ´Fat Old Sun´ erstrahlt zum Ende in hellem Rot. Zu ´Money´ scheint sich die Band in Ekstase zu spielen, während Stevie DiStanislao die Glocke in ´High Hopes´ erklingen und Gilmour eine raue Gesangsart anschlägt. Augenschonend ist es für alle bei ´Run Like Hell´ Pflicht, im Blitzgewitter des Lichts Sonnenbrillen zu tragen. Schließlich kann sich die Show selbst musikalisch noch mit den Orkanen ´Time / Breathe (In The Air)´ und ´Comfortably Numb´ sowie visuell durch das Lasermeer steigern.

Viel zu schnell ist die Zeit vergangen, scheinen nur einige Solo-Songs und PINK FLOYD-Classics in den Stunden gespielt zu sein. Weitaus länger könnte jeder Zuhörer sowie Zuseher diesem Ensemble auf der Bühne widmen. Allein den Smartphone-in-die-Höhe-Haltern wird in Zukunft in solch historische Ortschaften kein Zugang mehr gewährt. Nur Ästheten erhalten Einlass. Rückblickend dürfen sich aber alle Zutritt verschaffen, auf dem Sandboden scharren, die Hände recken, alle Nerven und Muskeln pulsieren lassen – mit einer Doppel-CD, einer Einfach-Blu-Ray, Doppel-DVD, einem Blu-ray/CD-Deluxe-Edition-Boxset sowie Vierfach-Vinyl und Download.


Pics: (1) Sarah Lee, (2) Columbia Records / Sony Music