MeilensteineVergessene Juwelen

SILENCE – Vision

~ 1990 (Independent Release) – Stil: Thrash ~


In letzter Zeit sucht mich eine Welle des Thrashmetals heim, wie ich es seit 1990/91 nicht mehr erlebt habe. Ich bin ja damals selbst rasch zum Deathmetalfan geworden, nun kommen mir die damals oft verpassten Bands der zweiten Thrashwelle, die dann in den Groovemetal mündete, mit teilweise nie zuvor gehörten Alben vor die Ohren oder es tauchen ganz und gar unbekannte Sterne am Firmament auf, die absolute Killerplatten veröffentlicht haben.

Zu jenen gehört auch die Band SILENCE aus Washington D.C, USA, deren einziges Album ´Vision´ irgendwo um 1990 herum veröffentlicht wurde und mehr als lokale Bekanntheit niemals erfahren sollte. Ich kann das dahingehend nachvollziehen, dass die Zeit für Thrash einfach vorbei war. Inzwischen aber ist zumindest unter Sammlern das Album zu einem gesuchten Objekt geworden und sollte eigentlich mit tonnenweise Bonusmaterial von ‚Divebomb Records‘ wiederveröffentlicht werden, was sicherlich auch noch passiert, jedoch tauchte tatsächlich ein Schwung versiegelter Original-CDs auf (1991er Zweitauflage, die Erstpressung ist von 1990. Hier gab es auch eine Tape Version), die zu fairen Kursen an den Mann gebracht wurden. Einer der glücklichen Menschen, die davon Wind bekamen, war der Verfasser dieser Zeilen.

240,00 US$ hätte ich wohl niemals hingelegt, für gar keine CD, nicht für das allerbeste und mitreißendste Metalalbum aller Zeiten, welches für mich ja immer noch die ´Ample Destruction´ von JAG PANZER ist. Und für eine unbekannte Thrashband aus den USA erst recht nicht. Doch ich will Musik, die mich begeistert. Und das tun SILENCE.

Der Thrashmetal, den sie hier auffahren, ist recht verspielt, mit vielen treibenden Passagen, bei denen wuchtig tretende Rhythmen die schwer und trocken sägenden Riffs voranpeitschen. Der angeraute Gesang klingt wie ein Hetfield mit etwas weniger Melodie, hält aber auch den einen oder anderen Tom Araya-Scream bereit, an den richtigen Stellen beim Hörer für Gänsehaut zu sorgen. Die Soli sind eigentlich immer wild und feurig, haben aber gute Melodien am Start und kontrastieren die schmerzhaft trockenen Riffgewitter. Hier und da haben sich, so unter anderem beim ersten Highlight ´Voice Of The Pariah´ und beim anschließenden ´Pitbull´ tolle Harmonien eingeschlichen, die sich nach und nach zu erkennen geben.

Das Geschrubbe der Gitarrenfraktion ist schon technisch sehr ansprechend, wenngleich sie immer den Song an sich in den Vordergrund stellen, sie spielen mit den Arrangements, haben schöne Übergänge und Breaks drin. Der Bassist wummert unauffällig im Hintergrund herum, füllt aber alle Klanglöcher gut aus. Das Schlagzeug wird von einem hart arbeitenden Tier beherrscht und der gute Mann an den Kesseln knüppelt sich einen ab, dass einem schwindelig wird. Dabei geht er immer mit größter Wucht und trotzdem hoher Filigranität vor, baut Wirbel und eigene Strukturen ein, die den Groove unterstützen und trotzdem die Spannung aufrecht erhalten.

Klar, Innovationen wird man hier nicht finden. Das hier ist Thrashmetal, wie ihn damals INTRUDER, TESTAMENT, EXODUS, OVERKILL und eben METALLICA gespielt haben, nie zu derb, immer packend arrangiert, die Dynamiken ausnutzend. Viele mittelschnelle, die Nackenmuskulatur zerstörende Momente und auch stampfende, alles zermalmende Parts in Verbund mit gut angelegten Speederuptionen werden zu Songs mit einem guten Fluss verbaut. Auch ganz verrückte Rhythmusfiguren gehören dazu. Dieser Thrashmetal ist klassisch, selbst für die damalige Zeit, aber auch so weit nachhaltig komponiert, dass auch 27 Jahre später noch davon gesprochen wird. Zumindest in Zirkeln derer, die weiter als bis zu den großen Acts gekommen sind.

Den absoluten Epic Kracher haben sie mit ´Necromantic´ ganz ans Ende der CD gestellt. Dunkle, brutale Riffs, ein sich fast überschlagendes Drumming, krummtaktige Brückenteile, dazu ein sinistres Orgelintro, das gute Stück kann man beinahe progressiv nennen. Hier beißen sich Knüppelfreaks die Zähne aus, denn SILENCE spielen um alle Ecken herum. Sogar eine betörende, ruhige Passage gibt es, deren extrem düstere Stimmung mit tollen Leadgitarrenharmonien noch weiter verdunkelt wird. Sehr mystisch, sehr episch und ein Beweis für das Talent der Burschen. Da hab ich schwächere Truppen mit Major Deal gehört.

SILENCE brauchen eine Weile, ihre volle Pracht zu entfalten, sind dann aber eine langlebige Band, die für Thrashfanatiker interessant bleibt. Hier eine kleine Drehung, da eine Wendung, ein mörderisches Solo, bam!!! Fans der oben genannten Bands dürfen zugreifen, wenn sie die Original-CD oder das Tape zu fairem Preis sehen oder wenn ‚Divebomb Records‘ irgendwann die kompletten Demos und das Album zu einem feinen Werk zusammenstellen und wiederveröffentlichen. Denn dieses Album ist es wert, wieder in Erinnerung gerufen zu werden. Diese eternale Urgewalt und technische Versiertheit in Songs von erst spröder, dann wirklich packender Schönheit kann sich mit den besten ihrer Zeit messen.